SPOILER vorhanden
*atemlose Stille*
Wir befinden uns rund 50 Jahre in der Zukunft und steuern, auf einem riesigen Raumschiff, in Begleitung von 6 jungen, brav 50/50 auf Chinesen und Amerikaner aufgeteilten und gegenderden Astronauten direkt auf die Sonne zu. „Warum tun wir das?“, wird sich der geneigte Zuschauer fragen. Ist das nicht klar?! Um die Sonne mit Hilfe einer 15 Kilometer großen Atombombe wiederzubeleben, eine drohende Eiszeit abzuwenden und die Menschheit zu retten.
Alles verstanden?!!
Doch diese Mission an Bord der Ikarus 2 (warum das kolossale Raumschiff wohl Ikarus 2 heißen mag?!) steht unter keinem (*Entschuldigung*) guten Stern, denn justament nach dem Verlust des Erdkontakts fängt man einen alten Hilferuf auf. Woher der wohl kommen mag? Vom Mars? Von der Venus? Nein! All jene die „Event Horizont“ gesehen haben und laut „von der Ikarus 1“ geschrieen haben, erhalten als Belohnung einen Hieb mit dem Phrasenhammer. Die Entscheidung ob man nun die (überlebens-)wichtige Mission erfüllen oder dem Vorgängerschiff eine Stipvisite abstatten soll, fällt dementsprechend schwer, überraschend und spannend aus.
Doch auch der Katzensprung zum ersten Schiff, mit klarerweise selber Mission, verläuft nicht einwandfrei. Ein Fehler wird begangen und zwei Mitglieder müssen, nach überflüssig langem Zögern und Hadern, in „goldene“ Anzüge gesteckt und nach draußen ins gleißende Sonnelicht geschickt werden (Gold ist natürlich das hitzefesteste Material der Welt und deswegen für Außenarbeiten in der Nähe der Sonne besonders gut geeignet). Selbstverständlich wird es nur einer der Beiden zurück an Bord schaffen. Wer wird das wohl sein? Der charismatische aber überflüssige (chinesische) Captain oder der sympathische (amerikanische) Jüngling, der als einziger an Bord (wie intelligent) die Macht hat, den alles entscheidenden Abwurfschalter zu betätigen. Die Frage erübrigt sich im Grunde und ist ebenso spannend wie die betroffene Szene im Film.
Der Flug geht (exakt so schwer beschädigt, das man klarerweise die Sauerstoffreserven der Ikarus 1 benötigt um die heilbringende Mission zu erfüllen) weiter, führt über die Mitnahme eines (im wahrsten Sinne des Wortes) blinden Passagiers, von dem vor Jahren verschollenen Vorgängerraumschiff, bis zu einem Finale, mit einigen ebenso actionreichen wie unpassenden, hektischen und den ruhigen Stil der ersten 2 Drittel des Films konterkarierenden Mann gegen Mann - Kämpfen und übermäßig suizidärem Opfermut.
Mission erfüllt, Erde gerettet, Helden tot.
Regisseur Danny Boyle hat mit seinem Drogenreisser „Trainspotting“ eine innovative Subkulturstudie mit Kultpotenzial geschaffen, Leonardo Di Caprio mit „The Beach“ aus der „Titanic“ Ecke gezerrt und mit „28 Days Later“ einen von Kritikern hoch gepriesenen (meiner Meinung nach aber maßlos überbewerteten) Zombiefilm inszeniert.
Mit seinem neuesten Werk „Sunshine“ scheitert er sowohl künstlerisch als auch kommerziell an den eigenen (offenbar) viel zu hohen Ansprüchen, gigantischen Logiklöchern, einer unentschlossenen Inszenierung und offensichtlichem Ideenmangel.
Was beim Lesen des Inhalts nämlich bereits nach 2 Sätzen wie ein Potpouree von sämtlichen Sci-Fi Klassikern der Vergangenheit begonnen bei „2001- Odyssee im Weltall“ und „Dark Star“ über die „Alien“ Quadrillogie bis zu „Event Horizont“ wirkt, wird von Danny Boyle allen Ernstes als wissenschaftlich erklärbar, spannend und (auf Grund einer neuen Idee) innovativ präsentiert.
Dabei ist die Story geradezu herzergreifend vorhersehbar, langweilig und dämlich, der Spannungsaufbau nahezu nicht existent und die Figurenzeichnung so klischeehaft und einfallslos, dass diverse Seagalrollen daneben höchst kreativ und ambivalent wirken.
Denn schon Millionen Mal gesehene Handlungsabläufe, wie der Ausflug ins All, bei dem ein Charakter sterben muss oder die Entscheidung den Kurs zu wechseln, um ein ähnliches Raumschiff zu besuchen, werden im Film lang und breit erläutert und durchexerziert und führen trotz aller Überlegungen und Zweifel immer noch zum selben Ergebnis, wie in duzenden gleichartigen Filmen zuvor.
Ich persönlich würde das keinesfalls als innovativ bezeichnen.
Auch die Dreistigkeit einem Raumschiff auf einer Rettungsmission zur Sonne (in einem ernstzunehmenden Film, welcher „Sunshine“ ganz offensichtlich sein will) den Namen Ikarus 2 zu geben, ist phänomenal.
Ikarus, der der griechischen Mythologie zu Folge in jugendlichem Übermut, von mit Wachs zusammen gehaltenen und auf seinem Rücken befestigten Flügeln getragen, der Sonne zu nahe kommt und daraufhin vor den Augen seines Vaters Dädalus abstürzt und stirbt, stellt meiner Meinung nach nämlich einen äußerst unpassenden Namensvetter bzw. ein unpassendes Vorbild für eine derartige Mission dar.
Die musikalische Untermalung hält des Weiteren leider nicht was der Trailer verspricht, da sie in keiner Sekunde die Genialität eines Clint Mansell (der die, im Trailer verwendete Musik für den Aranofsky - Streifen „Requiem for a Dream“ entwarf) und dessen absolute musikalische Übereinstimmung mit dem jeweiligen Werk erreicht.
Natürlich muss man Boyle zugute halten welch beeindruckende Weltraumszenen er mit läppischen 40 Millionen Dollar Budget auf Zelluloid gebannt hat.
Man beobachtet, ohne auch nur im Geringsten an der Echtheit des Gesehenen zu zweifeln, wie Planeten ästhetisch an der Sonne vorbei gleiten, Raumschiffe im All repariert werden und Astronauten bei diesen Reparaturarbeiten über die Außenhülle des Schiffes wandern.
Diese Szenen, die ruhige Kameraführung und die U-Boot ähnliche (und eindeutig von Petersens „Das Boot“ inspirierte) klaustrophobische Stimmung sind es auch, die den Film vor einem Totalabsturz bewahren.
Trotzdem trifft in diesem Fall (wie so oft) ein altes Sprichwort den Nagel auf den Kopf: Es ist nicht alles Gold, was glänzt!
Zu den Darstellern gibt es nur recht wenig zu sagen. Sie sind großteils jung, hübsch und heldenhaft, philosophieren mit ernster Mine über Atombomben, Mord und mehrjährige Weltraumexpeditionen und versuchen verzweifelt Gefühle realistisch darzustellen.
Die beiden bekanntesten Darsteller der Gruppe sind Chris Evans, aus „Finall Call“ und „Fantastic Four“, und Cillian Murphy, aus Boyles „28 Days later“ und „Batman: Begins“. Beide vertreten brav ihr jeweiliges Klischee.
Chris Evans ist der tapfere amerikanische Astronaut, der seine Kollegen gerne einmal etwas ruppiger behandelt, an die Wichtigkeit der Mission erinnert und sich mit Freuden opfert. Cillian Murphy ist der verschrobene, verweichlichte und erst gegen Ende zu seinem Killerinstinkt findende Wissenschaftler mit langen Haaren und dauerhaft verträumten Blick.
Fehlertechnisch bewegt sich der Film ebenfalls in hohen Sphären:
· Explosionen finden (mit Druckwelle, hübschen Flammen und Geräuschen) im Vakuum des Weltraums statt. [So schamlos falsche Detonationen habe ich das letzte Mal bei „Moonraker“ gesehen]
· Goldenes Material wird als Schutz gegen die direkte Sonneneinstrahlung verwendet
· Das Sterben der Sonne würde (interessanter Weise auch laut dem Pressetext von „Sunshine“) die Erde verbrennen und keinen nuklearen Winter auslösen
· Die tiefen Temperaturen im Kühlaggregat des Bordcomputers werden zuerst (mittels einer nach 2 Sekunden im Kühlwasser, mit einer tollen Eisschicht überzogenen, Hand) als weit unter Null Grad vorgeführt, nur um dann dem amerikanischen Helden die Möglichkeit zu geben, ohne Schutzanzug, mehrere (!!) Male in ihr auf- und wieder abzutauchen.
Fazit:
· Optisch, Kamera- und Effekttechnisch ist „Sunshine“ ohne Frage brillant und ohne Tadel.
· Des Weiteren findet man (über den gesamten Film verteilt) durchaus auch einige tolle Ideen und spannende Szenen.
· Storytechnisch aber ist der Streifen ein Fiasko. Nicht deswegen, weil der Regisseur sich bei unzähligen Werken der Sci-Fi Filmgeschichte frohgemut bedient (das macht heutzutage wirklich nahezu jeder Film in irgendeiner Weise), sondern weil Danny Boyle seinen Film so ernst und wissenschaftlich authentisch aufzieht, als hätte Stephen Hawking persönlich über das Skript gelesen und es mit einem feuchten Furz als wissenschaftlich wertvoll beglaubigt. Auch in diversen Interviews vertritt er die Meinung etwas Revolutionäres geschaffen zu haben: „Das Boot“ im Weltraum pflegt er zu sagen und im gleichen Atemzug darauf hinzuweisen, dass er unglaublich viel wissenschaftliche Beratung genossen hat. Merkt man!
· Trotz dieser wissenschaftlichen Authentizität begeht man aber obengenannte Fehler, beruft sich auf pseudo- Fakten und wagt es allen Ernstes einem Schiff, das auf einer überlebenswichtigen Mission zur Sonne ist, den Namen Ikarus zu verpassen.
· Der komplette Film wirkt als wusste Danny Boyle bis zum letzten Drehtag nicht ob er den Film mit Ironie und Sci-Fi (im ursprünglichen Sinn) anreichern sollte oder nicht. Eine Unentschlossenheit die vor allem am Ende des Films nervenaufreibend wird.
Nachsatz:
Ordentlich in die Hände spuken, das nächste copy and paste Werk pseudowissenschaftlich vorbereiten und sich die Federn für die neue Idee selbst an den Hut stecken, möchte ich dem lieben Herrn Regisseur an dieser Stelle empfehlen.