Bevor ich zum Review komme, eine Anmerkung (ich habe nicht den ganzen Thread gelesen, bitte verzeiht also, wenn dies schon angemerkt wurde): Das mit dem Gewehr ist FAKT: Moore hatte mal vor ca. einem Jahr dieses Gerücht entkräftet und die ungeschnittene Fassung der Szene online gestellt. Er musste lediglich ein paar Minuten warten, bis der "Background-Check" erledigt war, und schon konnte er sein Gewehr entgegennehmen.
Das nur zur Klarstellung. Hier jetzt mein Review zu "Fahrenheit 9/11" (Wer es lieber auf meiner Homepage liest:
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"Sie hören nie damit auf, sich neue Wege zu überlegen, wie sie unserem Land und unserem Volk schaden können, und wir auch nicht." Dieses Zitat ist nur der aktuellste sprachliche Ausrutscher des mächtigsten Manns der Welt (bin ich der Einzige, dem es bei diesem Gedanken kalt über den Rücken läuft?) und gibt all jenen, welche Bush für... äh... nennen wir es mal "weniger gebildet" halten, wieder einmal neuen Zündstoff. In seiner neuesten Dokumentation "Fahrenheit 9/11" versucht Michael Moore zu beweisen, dass dieser Versprecher jedoch unter Umständen mehr Wahrheit in sich birgt, als man auf dem ersten Blick glauben möchte...
"War das alles nur ein Traum?" fragt Michael Moore seine Zuschauer zu Beginn des Films, während er uns die Jubelfeier der Demokraten nach der Wahl im Jahr 2000 zeigt. Lange Zeit sah es so aus, als würde Al Gore als Sieger hervorgehen, doch dann kam alles anders. Im ersten Teil seiner neuesten Dokumentation beleuchtet Moore ganz genau die Ereignisse an diesem Tag sowie der Wochen danach, bis Bush schließlich vom obersten Gericht als rechtmäßiger Präsident der Vereinigten Staaten festgestellt wurde. Der zweite Teil seines Films beschäftigt sich mit den Verknüpfungen der Bush-Familie zur herrschenden Familie von Saudi Arabien und mit der Frage, warum Bin Laden's Verwandte nach dem 11. September ohne Befragung nach Hause geflogen wurden, obwohl die öffentlichen Flughäfen zu diesem Zeitpunkt noch gesperrt waren. Der 3. und zugleich größte Teil des Films beschäftigt sich schließlich mit dem Irak-Krieg, von den Lügen, Halbwahrheiten und Manipulationen davor über die eigentliche militärische Aktion bis hin zu den Nachwirkungen, mit denen Amerika selbst mehr als 1 Jahr nach dem offiziellen Ende der Kriegshandlungen noch zu kämpfen hat.
Mein erster Gedanke, nachdem ich das Kino verlassen hatte, war: "Das ist wohl der ernsthafteste, unwitzigste und deprimierendste Streifen, den Moore bisher gedreht hat." Und in der Tat, im Gegensatz zu seinen früheren Filmen fristen Humor und Komik hier ein absolutes Schattendasein. Zwar gibt es auch diesmal durchaus wieder ein paar Sachen zum Lachen, doch von einigen Ausschnitten aus Bush's Präsidentschaft (bei denen einem das Lachen auch irgendwie im Hals stecken bleibt) und ein paar zynische Kommentaren von Moore (und auch die setzt er diesmal erstaunlich sparsam ein) einmal abgesehen, ist eigentlich nur mehr Moore's Aktionismus zu nennen - und selbst dieses für ihn so typische Stilmittel ist diesmal auf 2 Szenen beschränkt, nämlich als er den Abgeordneten den Patriot Act vorliest und später versucht, verschiedene Senatoren dazu zu bewegen, ihre Kinder in den Irak zu schicken. Davon einmal abgesehen erinnert eigentlich nichts an die humoristisch-leichteren Töne der Vorgänger.
Überhaupt nimmt sich Moore in seiner neuesten Dokumentation erstaunlich zurück, und lässt eher die Bilder bzw. andere Personen sprechen (wobei er leider den Fehler begeht, die individuellen Ansichten und Meinungen dieser "Experten" als unumstößliche Fakten zu präsentieren); lediglich als anklagender Erzähler ist er allgegenwärtig. Thematisch kann man den Film in 3 Teile gliedern: Zuerst nimmt sich Moore den Unregelmäßigkeiten bei der Wahl 2000 an, und in der Tat ist die Optik der Ereignisse (zumindest so wie sie von Moore präsentiert werden) nicht gerade ideal. Auch, wenn ich immer noch nicht so recht an einen glatten Wahlbetrug der Republikaner glauben will, so ist dieser Teil des Films durchaus interessant und informativ, und bringt einen zumindest dazu, die Möglichkeit der Manipulation in Betracht zu ziehen. Nun nimmt sich Moore für ein paar Minuten die Zeit, Bush bei der "Arbeit" zu betrachten und einige Versäumnisse von ihm und seinem Stab bei der Terrorbekämpfung an den Pranger zu stellen.
Beeindruckend dann die Montage über die Ereignisse vom 11. September: Moore ist sich der Tatsache bewusst, dass jedem die Bilder dieses schrecklichen Ereignisses nur zu gut in Erinnerung sind... und lässt verschiedene Notrufe, das verzweifelte Schreien der Menschen und die Einschläge der Flugzeugen in das World Trade Center abspielen, während die Leinwand schwarz bleibt. Eine Entscheidung, die wieder einmal Moore's Genialität was die Inszenierung seiner Dokumentationen betrifft auf beeindruckende Weise aufzeigt - denn mittlerweile haben wir die Bilder so oft gesehen, dass sich schon fast eine Art Sättigung eingestellt hat - traurig aber wahr: sie berühren und bewegen uns einfach nicht mehr so als am 11. September, wie man live beobachten konnte, wie die beiden Türme des World Trade Center einstürzen. Doch durch Moore's Inszenierung und die gänsehauterzeugende Geräuschkulisse wird man wieder an den Schrecken dieses Tages erinnert. Er rückt die Menschen und deren Schicksale in den Mittelpunkt, und nicht den Terrorakt an sich.
Die darauffolgende Szene ist so erheiternd wie erschreckend: Er zeigt Bush, wie er minutenlang regungslos im Klassenzimmer der von ihm besuchten Schule sitzen bleibt, nachdem er gerade von den Anschlägen erfahren hat... angesichts der völligen Ahnungslosigkeit, die sich auf seinem Gesicht wiederspiegelt, weiß man echt nicht, ob man Lachen oder Weinen soll. Schade nur, dass Moore genau in diesem Augenblick etwas zu polemisch wird: Anstatt den Zuschauer selbst überlegen und entscheiden zu lassen, was wohl in diesem Moment in Bush's Kopf vorgeht, stellt er einige mögliche Gedanken in den Raum... und zwingt damit dem Zuschauer quasi seine eigenen Überlegungen auf, anstatt diesen selbst Schlüsse ziehen zu lassen.
Fortsetzung im nächsten Beitrag