...aber solch eine Gegenanalyse war zu erwarten. Auch der Verweis auf einen realitätsfernen, unzeitgemäßen Geist, den es ob seiner Verbittertheit lediglich zu bemitleiden gelte... Deine gezwungen nüchterne Darstellung zeigt, ebenso wie die sehr subjektive von Herrn Walk, Mißstände auf, mit dem traurigen Unterschied diese nicht einmal mehr als kritikwürdig zu empfinden, sondern sie als gegebenen Teil unserer (Wirtschafts-)realität hinzunehmen. Ich teile die sehr persönliche Meinung Herrn Walks, ohne die harten Fakten in den modernen Kreativitätsbunkern zu kennen dahingehend, als das ich die Ergebnisse - salopp: oft einfallsloser, fast immer gepushter Einheitsbrei - selber beobachten kann. Und ebenso bin ich nicht bereit eine negative Entwicklung als "so ist es eben" zu akzeptieren, geschweige denn zu adaptieren, oder argumentativ zu verteidigen. Es geht hier wohl eher um die Darstellung einer "gefühlten" Entwicklung, die Kritik an einem - persönlich so empfundenen - Zeitgeist, der heute eben ganz besonders von Gier und Gewinn bestimmt scheint(!), ungeachtet vergangener, evtl. verklärter Zustände. Zumal Walk als Insider hier möglicherweise auch eine gewisse Kompetenz unterstellt werden kann. Sonst bleibt es eben eine persönliche Meinung. Ich sehe keine Notwendigkeit ihn als eine Art Verlierer des Systems abzutun.
Die Frage ist doch, was man unter einer negativen Entwicklung versteht und wie man das deutet. Es ist eine Sache, eine Entwicklung persönlich nicht zu mögen, weil sie den eigenen Erwartungen und Wünschen entgegenläuft, und eine andere Sache, der Industrie eine generelle Fehlentwicklung dahingehend zu unterstellen, dass praktisch alle Spieler darunter zu leiden haben. Herr Walk belässt es leider nicht bei ersterer Möglichkeit, was ich absolut respektieren würde, sondern greft indirekt auch den Spielegeschmack einer Vielzahl von Spielern an. Und dafür bringt er nun mal keine stichhaltigen Argumente, die das belegen würden. Dass die Beteiligten in der Industrie Geld verdienen wollen mit ihren Spielen und das möglichst viel, ist kein Geheimnis und eine natürliche Entwicklung, wie in jeder anderen Branche auch. Daraus allleine kann man noch keine Fehlentwicklung ableiten (es sei denn man ist prinzipiell ein überzeugter Antikapitalist, aber dass wäre wiederum ein anderes Thema). Ich vermute eher, dass es sich bei der unterstellten Fehlentwicklung schlicht um eine Erweiterung der Zielkundschaft handelt und deren Erwartungen. Das hängt natürlich damit zusammen, dass ich im Spielebusiness zunächste eine Unterform der Entertainmentindustrie sehe und weniger eine Ansammlung von Künstlern (was wiederum aber nicht bedeutet, dass Spiele nicht künstlerisch wertvoll sein können). Wie im Film- und Büchersegment auch gibt es eben auch bei Spielen inzwischen eine breite Masse an Kunden, die eine eher seichte Unterhaltung fordern bzw. nachfragen. Daran ist nichts flasch oder verwerflich und auch an diesen sogenannten Mainstreamspielen ist nichts falsch oder verwerflich. Natürlich haben es Leute, deren Geschmack nicht unbedingt mit dem der breiten Masse übereinstimmt, in dieser Konstellation schwerer, passende Spiele zu finden. Doch ist es ein Fehler der Industrie, dieses Randgruppenproblem zu lösen? Jein. Wenn es einen Markt gibt, der sich wirtschaftlich und kreativ lohnt, wird er über kurz oder lang auch besetzt (eine der Grundregeln des Kapitalismus). Manchmal braucht es etwas Zeit, um diese Potenziale zu erkennen und gängige Marktstrukturen derart aufzuweichen, um entsprechende Grundvoraussetzungen zu schaffen. Im Bereich der Videospiele ist das kürzlich durch das Aufkommen von Crowdfunding, aber auch durch entsprechende Videospiele mit geringerem Scope und weniger Mainstreamappeal (zB. bei Ubisoft) gelungen. Es wäre an dieser Stelle also imo falsch, von einer generellen Fehlentwicklung in der industrie zu sprechen. Es ist sicherlich aber richtig, dass mit der Größe des Projektes die Möglichkeit individueller Innovationen sinkt. Das ist ein generelles Phänomen in der Wirtschaft. Große Produktionen sind prinzipiell Kompromisse, die oft den kleinsten gemeinsamen Nenner abdecken. Innovation geschieht im Kleinen, im Falle der Videospiel in Indies und neuerdings in Crowdfundingprojekten. Sind Konzepte dort erfolgreich, werden sie unter Umständen auch für Mainstreamspiele interessant. Es lohnt sich nicht, dagegen anzukämpfen, weil es sinnlost ist. Ich kann die Enttäsuchung verstehen und nachvollziehen, wenn man bei all der Fülle an Spielen, die es heutzutage gibt, den Eindruck hat, dass für den eigenen Geschmack herzlich wenig dabei ist. Da ist man natürlich gerne geneigt zu glauben, dass es da ein grundlegendes Problem in der Industrie geben müssste. Imo liegt dieses Problem aber vor allem am Kunde, wenn man es denn Problem nennen kann. Wer einen speziellen Geschmack hat, der hat unter Umständen Schwierigkeiten, ihn zu befriedigen. Eine der traurigen, aber kaum änderbaren Realitäten des Lebens...