AW: Die Scherben von Rot-Grün
noch ein Kommentar
zur kritischen Lage der Nation
Egon W. Kreutzer
am 30. Juni 2005
Die Wachstumszwänge machen auch vor den Metaphern nicht halt.
Gab es früher irgendwo einmal ein einsames Narrenstübchen, kam man dann über viele Jahre mit dem Käfig voller Narren und bald darauf wenigstens noch mit dem Narrenschiff über die Klippen, so muss man heute von der Narrenrepublik reden, wenn man das Maß des durchgeknallten Wahnsinns, den sich die Bürger unseres Landes Tag für Tag nicht nur anhören, sondern oft genug auch tatsächlich gefallen lassen müssen, in der nach oben scheinbar offenen Skala fortschreitenden Realitätsverlustes auch nur näherungsweise richtig zum Ausdruck bringen will.
Da laufen in diesen Tagen aufgeregte SPD-Obere durch die Abgeordnetenstübchen zu Berlin und erklären verschroben verschraubt, im Mißtrauensvotum müsse man wahres Vertrauen eben dadurch erweisen, dass man sich der Stimme enthält (- nichts sehen - nichts hören - viel reden - nichts sagen) .
Für die Fernsehkameras werden Erklärungen abgegeben, mit denen Gebührenzahlern und Schwarzsehern eingebläut wird, dass das Verfassungsgericht und der Bundespräsident um so weniger an eine unzulässige Verabredung zum Verfassungsbruch glauben könnten, je mehr Abgeordnete auf die entsprechende Einladung hin, die ja weder eine Aufforderung, noch eine Verabredung darstelle, dem Kanzler das Vertrauen durch Enthaltung verweigern.
Für wie blöd halten die den Bundespräsidenten, für wie blöd das Verfassungsgericht? Glaubt man in der SPD-Spitze wirklich, dass sich die Verfassungsrichter und der Bundespräsident die Ohren zuhalten, wenn die geplante Manipulation der Vertrauensfrage in aller Öffentlichkeit zur unumgänglich notwendigen Maßnahme zur Einhaltung der Verfassungsvorschriften umerklärt wird?
Für wie blöd halten die uns eigentlich? Glauben die tatsächlich, dass wir glauben, dass Abgeordnete, welche die Wiederwahl Schröders im Herbst 2005 herbeisehnen, dies ernsthaft tun, weil sie ihm misstrauen?
Da wird die Verfassung zum Textbuch einer Schmierenkomödie umfunktioniert, damit man sich später hirnlos um die buchstäbliche Auslegung streiten kann, ohne in Gefahr zu geraten, sich mit ihrem Sinn auseinander setzen zu müssen.
Aber das ist ja nur eine von vielen Narreteien, mit denen gewählte Volksvertreter, Experten und Funktionäre in diesen Tagen um sich schmeißen wie die Jecken in Köln am Rosenmontag mit Konfetti und Bonbons.
Frau Merkel hat den Ein-Euro-Jobs den Kampf angesagt.
Da freut sich der Bürger.
Aber er freut sich zu früh. Man muss schon bis zum Ende zuhören um den Inhalt von Merkels Angela 2010 zu erfassen.
Sie will den Ein-Euro-Job nämlich gar nicht abschaffen. Er soll künftig Kombi-Lohn heißen und damit von den Fesseln befreit werden, die ihn derzeit noch auf zusätzliche Tätigkeiten im sozialen bzw. gemeinnützigen Bereich beschränken. Wird der Ein-Euro-Jobber aber zum Kombi-Lohn-Empfänger umgetauft, dann soll jedem Arbeitgeber erlaubt sein, für jede reguläre Arbeit die benötigten ALG II Empfänger beim Job-Center anzumieten und möglichst gar nichts dafür zu bezahlen.
Das hat den Vorteil, dass die Unternehmer gleich dreimal entlastet werden.
1. Zahlen sie immer weniger reguläre Löhne,
2. Zahlen sie für immer mehr nicht sozialversicherungspflichtig Beschäftigte immer weniger Sozialversicherungsbeiträge und,
3. sinken die Beitragssätze für die letzten regulären Beschäftigungsverhältnisse.
Die Differenz zwischen dem super-niedrigen Niedriglohn und dem Existenzminimum sollen dann die Verbraucher über die erhöhte Mehrwertsteuer aufbringen.
Die Kandidatin hält Wort. Angela Zwanzig-Zehn haut härter drauf, schneidet tiefer ein, zieht hurtiger ab, als Schröder, Clement und Schmidt (Ulla). Das passt irgendwie zur jüngsten Kriminalitätsstatistik. Gewalt ist voll trendy.
Der Kanzler hat Anfang der Woche schnell noch eine Stippvisite bei George W. Bush absolviert und - soweit die Berichterstatter berichtet haben - bei dieser Gelegenheit zu hören bekommen, dass die USA den deutschen Wunsch nach einem ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat auch weiterhin nicht aktiv unterstützen wollen. Ein Arbeitsbesuch war das also offenbar nicht, ein Abschiedsbesuch soll es aber auch nicht gewesen sein. Wie auch immer, gleich nach der UN-Sicherheitsrats-nicht-Unterstützungs-Zusage ist er wieder nach Hause gedüst.
Die so gewonnene Gewissheit über die unveränderte Einstellung der US-Administration zu erweiterten deutschen Mitsprachewünschen hätte er sich auch ohne diese Dienstreise verschaffen können. Da hätte er vielleicht nur mal seinen Außenminister fragen müssen.
Aber das ist leider unmöglich.
Der Außenminister ist schließlich eine jener schrecklichen Figuren, mit denen die SPD die letzten Jahren in einer unerträglichen Zwangskoalition zubringen musste. Wäre das nicht als Volkes Wille in Wahlen erforscht worden - nie und nimmer hätte man freiwillig miteinander regiert. Da fliegt Schröder lieber nach Washington, bevor er seinen ungeliebten Vizekanzler und Außenminister konsultiert.
Viezkanzler und Außenminister, das ist übrigens auch genau die Rolle, auf die sich Edmund Stoiber derzeit vorbereitet.
Da freut sich der Bürger.
Aber er freut sich zu früh.
Niemand bleibt vor Stoibers Sparwahn verschont, nur weil er sich zufälligerweise dafür entsschieden hat, in das Außenministerium einzuziehen. Da hat möglicherweise nur die Architektur den Ausschlag gegeben.
Nein, Stoiber wird sich nicht aufhalten lassen, seine wirtschaftspolitische Rosskur auf die ganze Republik auszudehnen. Schon wegen der Gleichberechtigung. Warum soll es ausgerechnet den Bayern am schlechtesten gehen? So ließ Stoiber verlauten, dass er in nur hundert Tagen ab Regierungsübernahme alle die Grausamkeiten durchdrücken will, die noch erforderlich sind, um den Arbeitsmarkt zu beleben. Weg mit dem Kündigungsschutz, weg mit dem Tarifvertragsrecht, weg mit der Arbeitslosenversicherung ...
Ja, die Arbeitslosen.
Der Hass auf die nicht kleinzukriegende Zahl der Arbeitslosen ist inzwischen so groß, dass schon wieder die Forderung nach der Abschaffung der Arbeitslosenversicherung laut werden.
Keine Versicherung - keine Arbeitslosen, scheint da jemand zu denken.
Doch bevor diese Idee vertieft werden konnte, wurde noch schnell der
Bericht des Ombudsrates zu den Hartz IV Folgen vorgelegt.
Völlig abgeklärt lassen da jene Figuren, die sich in aller Einfalt um Herrn Biedenkopf versammelt haben, dem in Armut zusammengelegten ALG II- und Sozialhilfevolk wissen, es fehle noch an der Vermittlungseffizienz.
Als könnte Vermittlungseffizienz Arbeitsplätze schaffen. Aber so blöd ist Biedenkopf nun auch wieder nicht. Wenn also die versammelten Ombudsmänner unter seiner Führung behaupten, es mangele an der Vermittlungseffizienz, dann kann das, übersetzt in ein verständliches Vor-Reform-Deutsch nur heißen:
Die Vermittler schaffen es nicht, die lästigen Arbeitssuchenden mit dem zur Verfügung stehenden Repressionsarsenal nachhaltig davon abzuhalten, sich als Arbeitslose um genau die Unterstützungsleistungen zu bemühen für die viele von ihnen viele Jahre lang ganz erhebliche Beiträge gezahlt haben.
Das allerdings wird den Bürgern der Narrenrepublik vom Ober-Ombuds-Magier und Ex-König Kurt in seiner jüngsten Tirade als völlig überzogenes Anspruchsdenken ausgedeutet.
Nach allen Beratungen und gegen Gegenstimmen im Ombudsrat lässt Er wissen, Er sähe keinen Grund dafür, die Dauer der Zahlung des Arbeitslosengeldes an die Dauer der Beitragszahlung zu binden. Das normale Arbeitslosengeld, so Biedenkopf, sei eine Versicherungsleistung. Deshalb(!) kann man die Zahlung des Arbeitslosengeldes nicht von der Dauer der Mitgliedschaft abhängig machen. Bei der Krankenversicherung bekäme derjenige, der seit 30 Jahren Mitglied sei, auch keine besseren Behandlungen als jemand, der erst drei Jahre dabei sei. Auf diese Idee käme kein Mensch.
Soweit ER.
Dass genau diese Idee bis vor kurzem noch zu den Grundprinzipien der Arbeitslosenversicherung gehörte, hat Herr Biedenkopf möglicherweise nie gewusst.
Schließlich ist es oft das explizite Nichtwissen, das für so seltsame Posten qualifiziert, wie es der eines Ombudsratsvorsitzenden für Hartz IV-Folgen ist.
Dass Biedenkopf auch nie gehört hat, dass die Auszahlung einer Lebensversicherungssumme bei monatlich gleichen Beiträgen durchaus von der Dauer der Zahlungen abhängt, dass privat Krankenversicherte abhängig von der Dauer der Beitragszahlung und der Schadensfreiheit ganz erhebliche Rückerstattungen erhalten, dass Autofahrer für schadensfreie Jahre ganz erhebliche Rabatte erhalten, das alles passt nicht ins neu geformte Argument, wird also hurtig "verblackoutet"und frech in das genaue Gegenteil verkehrt.
Das alles wird von der Presse, von Fernsehen und Radio schlicht zur Kenntnis genommen, teils gemeldet, teils unterschlagen - und, wenn es ins Konzept passt, auch einmal ein bisschen kritisiert - aber der Aufschrei, der eigentlich durch das Land gehen müsste, der ist fürwahr schon lange nicht mehr zu hören.
Schon gar nicht, wenn der Bockmist aus dem halbrechten Lager kommt. Dafür wird umso mehr mit braunen Stinkbomben nach erklärten Linken geworfen.
Da wird die gerade gegründete WASG-PDS in einer unglaublichen Schmutzkampagne indirekt dadurch diffamiert, dass man die Meldung verbreitet, die neue Gruppierung sei das erklärte Unterwanderungsziel der Neonazis. Da hat Oskar Lafontaine den Begriff "Fremdarbeiter" gebraucht.
Das sei Nazi-Jargon, tönt es, und als ob es anrüchig sei, überhaupt noch irgendein Wort zu gebrauchen, dass es in der deutschen Sprache auch schon vor 1945 gab, lässt sich Frau Pau vom erzkonservativen Großinquisitor Werner Sonne im öffentlich-rechtlich-gebührenpflichtigen Morgenmagazin am Donnerstag daraufhin auch noch zu einer Distanzierung verleiten.
Da sollen, sagt die WASG-PDS, Wähler gewonnen werden, die zuletzt als Protestwähler für DVU, Republikaner und NPD gestimmt haben - und schon wird wieder eine Assoziationskette vorgezeichnet, die nur noch selbst gedacht werden muss, um den Verdacht zu nähren, das neue Linksbündnis sei ein Wolf im Schafspelz und Oskar Lafontaine der direkte Nachfolger Goebbels.
Das Schöne daran ist, dass sich die Urheber und Verbreiter solcher Diffamierungen die Hände dabei nicht schmutzig machen. Niemand hat schließlich gesagt, die WASG oder die PDS sei rechtsradikal. Im Gegenteil. Wer so etwas behauptet, der muss sich hüten, nicht selbst von Verleumdungsklagen überzogen zu werden.
Die Reichensteuer ist auch so ein Ding.
Da haben sich klammheimlich die ehemaligen Spitzensteuersatzsenker im Kochstudio für magisch-anziehend duftende Wahlversprechen mit jenen Parteifreunden zusammengesetzt, die als Restposten der alten SPD immer noch mitgeschleppt werden und haben eine Reichen- oder Millionärssteuer aus dem Hut gezaubert.
Der Steuersatz von 3 Prozent soll ungefähr 1 Milliarde Euro einbring