Naja, dabei haben wir dennoch (als Masse gesehen) selbst schuld. Ist wie mit Politik (nur noch Gewafe ohne Inhalt), Turnschuhen (sehen inzwischen aus wie auf der Herdplatte liegengelassen) und vielen weiteren Bereichen. Die Masse setzt eben auch auf Masse, nicht auf Klasse.
Alle wollen "Echtzeit", "Interaktiv" und vor allem "große Welt, am besten man braucht 20 Echtzeitstunden, um durchzulaufen, egal was dabei passiert". Ich will ja kein "Früher war alles besser und aus Holz bzw. damals als die Gummistiefel noch aus Holz waren" ablassen. Aber wenn ich so an Zeiten von Amiga und Co. zurückdenke, wird mir schlecht sobald ich "moderne" Spiele sehe. Null Liebe zum Detail (Ausnahmen bestätigen die Regel), null Innovation (ich weiss noch wie schlecht die Descentgrafik war, aber wie neu das Erlebnis sich in allen Achsen drehen zu können, ich weiss auch noch wie begeistert ich Wizardry 6 gezockt habe - in EGA !) und so weiter und so weiter.
Aber Fakt ist und bleibt: die Masse will Schrott haben. Sie bekommt Schrott. Wir leben nunmal nach Angebot und Nachfrage, lässt sich schwer zurückdrehen. Und wenn ich die heutige Generation so anschaue, frage ich mich ernsthaft, ob die gesamte Marketingabteilung eines Softwarehauses sich nicht mit rückwärts zählenden Nummer über dem Kopf und einem allgemeinen "Oh No" in den Abgrund stürzt, wenn jemand die Worte "Hintergrundstory" oder "Detailliebe" in den Mund nimmt. Bumm, bumm, aua, tot ist eben ein (anscheinend) gutes Verkaufsrezept. Und Strategie muss "Action" TM haben, wenn man in Ruhe ein rundenbasiertes Spiel zockt, ist man doch Alteisen, das muss krachen und scheppern, egal wie sinnig Nachschub oder Erfahrungslevel durchdacht sind. Hauptsache man kann dann markige Bilder in die ewig nervenden Werbebanner bappen.
Nee. Ich glaube man darf sich heute getrost mit der Realität abfinden, dass massenweise kreischende Teenies (die eher mit dem Gedanken ins Bett gehen, was die Sänger ANhaben, denn was sie DRAUFhaben), allgemeine Volksverdummung und zunehmende Verrohung dazu führen, dass die Gummstiefel-noch-aus-Holz-Zeiten eben rum sind. So ne Art MidLifeCrisis der C64-Generation, die Zeiten nachtrauert, als die aus freiwilligen Begeisterten bestehende Demoszene mehr drauf hatte, als alle Kommerziellen zusammen und ein Spiel keine 10Mio. teuere Werbekampagne nötig hatte, weil bekannt war, wie gut die Leute dahinter waren.
Ein positiver Effekt dieser ganzen Sache: ich gebe wesentlich weniger Geld aus und besinne mich auf gemütliche Runden mit realen Mitspielern, sei es beim Mittelerde-TISCH-Rollenspiel (wofür ich monatlich nur Fressalien bezahlen muss, die mir besser schmecken als das WoW-Netzwerk) oder in grafisch wenig vom Hocker reissenden Risikoschlachten (so richtig mit Runden und so kleinen, hässlichen Steinchen, die weder explodieren, wenn ich sie "wegwürfele", noch in sekundenlangen Renderszenen von meinem HOLZtisch ausfaden). Ich habe auch noch nie erlebt, dass mein Mitspieler abstürzt (und wenn, bin ich immer mitabgestürzt
. Mittels Wireless-LAN-Kabel angeschlossene Freunde haben auch keine Ping-Probleme (ausser der Wein schmeckt zu gut) und es gibt zwar Camper in unserer Runde, aber das hat nichts mit Scharfschützengewehren und in dunklen Ecken abhängen zu tun, sondern mit Natur und Zelt und so.
Ich empfehle also: Mitspieler 1.0, Holztisch 1.0a, Gemütlichkeit 0.54b sowie [hier analoges Holzspiel einsetzen] und das AddOn "MachtEureBlödenLangweilerSpieleDochFürDieAnderen" für GemütlicheSofaecke XP. Das ganze dann noch mit Kerze 95 und KnabberCompilation abrunden und den Strom nur noch für das Aufheizen von realem Tee und Abspielen alter Musik nutzen. Und so ganz selten, alle paar Monate mal ein gutes Spiel (sei es nun neu oder alt) am Monitor geniessen und sich ins Fäustchen lachen, dass man nicht mehr zu den armen Seelen gehört, die jeden Mist mitmachen müssen.