Ich sammle Hardware und Spiele seit 30 Jahren. Um aus dem Nähkästchen zu plaudern, die Verknappung auf eBay und co. ist teils "künstlich". Vieles ist nicht wirklich selten, aber wird schlicht nicht angeboten. Die Mengen an Konsolen und Spielen in OVP (noch eingeschweisst) bei befreundeten Sammlern sind teils absurd. Ein paar Faktoren kamen jedoch verstärkend dazu:
1. Die typischen Jahrgänge, die mit 8-bit/16-bit/Homecomputern und Big Box PC Spielen aufwuchs, sind jetzt Mitte 40-50. In dem Alter haben plötzlich viele Zeit für Nostalgie und Sammeln und vor allem das nötige Kleingeld. Alle, die ich in dem Bereich kenne sind im Schnitt Jahrgang 75-80.
2. Während Corona hatten wohl viele die gleiche Idee: Keller/Dachboden ausmisten oder sich ein Hobby daheim suchen. Die Preise sind gerade in den letzten 2 Jahren explodiert. 2019 konnte ich noch viele Dinge auch auf eBay oder über Kleinanzeigen/Annoncen holen. Inzwischen muss man viel Glück haben. Jeder denkt daheim Gold zu horten und bietet Spiele, die man für ca. 5-15 Euro bekommen konnte, heute für 50€ und mehr an.
3. Es gibt sehr unterschiedliche Beweggründe zum Sammeln. Fans bestimmter Franchises, Nostalgie, Sammler und Anleger für Sachwerte. Letztere sieht man ihre Spiele in Acryboxen verschließen und mit Schlangenöl-WATA/VGA-Siegeln bekleben.
Alle Sammler, die ich kenne, haben früh angefangen und komplettieren nur noch mit bestimmten EInzelstücken. Davor konnte man viele Jahre mit vollen Händen vom Flohmarkt kommen oder für ein Taschengeld einen vollen Umzugskarton mit Spielen finden. Ich kenne niemanden, der vor wenigen Jahren angefangen hat und jetzt schon eine größere Sammlung hat. Da kommt man zu spät.
Es gibt tatsächlich auch Streamer, die bereit sind überdurchschnittlich zu zahlen, um sich die Sachen im Hintergrund ins Regal zu stellen oder in einem Video vorzustellen. Das ist aber eine lächerlich kleine Anzahl, den die meisten Streamer verdienen fast nichts mit ihren Streams. Hier sehe ich keinen Grund für die Preissteigerungen, allenfalls steigt der "Kultfaktor". Ein original Doom von 1993 macht auch für junge Doom-Fans etwas her.
Der Trend herrscht aktuell überall vor. Retro ist kult. Schon geschaut, was ein 486er gebraucht kostet? Oder ein funktionierender Röhrenmonitor ab 19 Zoll? Einen 386 bekommt man fast gar nicht mehr. Für ISA Wavetable-Soundkarten werden tatsächlich hunderte von Europgezahlt, nicht nur verlangt. Wir sprechen von Hardware, die in den frühen 2000ern meist auf dem Wertstoffhof im Schrott landete.
Was davon in Zukunft wertvoll bleibt? Gute Frage. Hardware stirbt unweigerlich, nur wenige machen sich die Mühe eine Platine mit neuen Kondensatoren zu recappen. Manches ist unwiderbringlich verloren oder der Aufwand wird grotesk. Ich sammle selbst zum Retrospielen auch IBM Thinkpads. Netzteil mit 20 Volt Trapezstecker? Praktisch unauffindbar.
Einiges wird sicherlich noch lange einen historischen Wert behalten, so wie alte Marvel-Comic-Bücher. Hier überleben die Produkte tatsächlich ihre ursprünglichen Fans und finden neue.
Der Peak ist aber eindeutig jetzt. Retro, 80er, Vinyl und eben alte Spiele treffen den aktuellen Zeitgeist, der sich nach einem Zuhause in der Vergangenheit sehnt.
Falls Johannes doch noch das nötige Kleingeld findet, ein moderner
Analogue Pocket bietet noch etwas mehr für das Geld, als ein modifiziertes Original.