Ich möchte mich hier in einem offenen Brief an die PC Games Redaktion wenden.
Ein paar Infos zu mir vorweg: Ich bin seit ca. 1994 ein treuer Leser der PC Games. Dementsprechend habe ich mittlerweile ein Alter erreicht (29), in dem ich wahrscheinlich schon gar nicht mehr der Mehrheit der Zielgruppe entspreche. Ich spiele auch nicht mehr viel, vielleicht 8 Stunden in der Woche, eher weniger, gelegentlich mal mehr. Natürlich sind im Laufe der Jahre dennoch einige Spielstunden Erfahrung zusammengekommen, und früher war ich auch deutlich aktiver bis hin zu Engagements als Spieler in einem Clan und auch jahrelang als Linux Game Server Admin hinter den Kulissen bei einem GSP.
Beruflich stehe ich als Administrator der EDV im Allgemeinen, nicht (mehr) jedoch der Spielewelt im Speziellen nah. So viel zu meiner Person und meinen Hintergründen.
Mein offener Brief äußert Kritik an einem Artikel im Speziellen, aber auch an einer Entwicklung der PC Games sowie der Computerspielewelt im Allgemeinen. Dabei nutze ich Letztgenannte vor allem, um eine Parallelentwicklung zwischen der PC Games als Zeitschrift und den Computerspielen im Allgemeinen aufzuzeigen, insofern empfinde ich sie hier als passend.
Und zum Inhalt:
Ich lese im Moment die aktuelle Ausgabe der PC Games mit dem E3-Special. Dabei finde ich in einem einzigen, nur 105 Wörter zählenden Artikel all mein Empfinden über die Situation der Computerspiele bestätigt: Oberflächliche Spiele, die ihren Fokus überwiegend auf grafische Präsentation von Action-geladenen Szenen legen, dominieren den Markt, während Spiele mit Tiefgang oder vor dem Hintergrund einer tiefgründigen Geschichte zunehmend dünner gesäht werden.
Diesen Trend laste ich persönlich hauptsächlich den Konsolen an, die in ihrer Einfachheit das Actionspiel am besten präsentieren können und beim Spielen am HD-Fernseher dem Hollywood-"verwöhnten" Spieler geradezu die Erwartung audiovisueller Perfektion schüren, während sie jedoch bisher nicht das Potential entwickeln, scheinbar auch kein Interesse daran zeigen, einem Spieler nennenswert geistigen Anspruch abzuverlangen. Stattdessen wird, wie zum Beleg für meine Sicht der Dinge, auf reißerische Elemente zurückgegriffen wie z.B. das Erschießen von mehreren Geiseln (Call of Duty: Modern Warfare 2). Es spricht den Spieler an, eben nur weil es tabubrechend und reißerisch ist - und einfacher, als sich über ein Konzept im Hintergrund des Spieles Gedanken zu machen, bei dem Handlungen des Spielers Folgen haben für den weiteren Spielverlauf. Man könnte sagen: Ein geistiges Armutszeugnis.
An sich wäre die Entwicklung auf der Konsole dem PC Spiel auch egal, wäre da nicht die Wirtschaftlichkeit von Parallel-Entwicklungen für Konsole und PC: Damit die Konsole nicht überfordert wird, wird der PC unterfordert. Spielkomplexität bleibt dabei auf der Strecke. Mann kann nur hoffen, daß die fantastisch weiten Welten von Online-MMORPGS (welche ich im Bewußtsein des Zeitfaktors lieber nicht anfasse) nicht bei einem abenteuerlichen Versuch, sie für Konsolen zugänglich zu machen, ebenfalls in diesen Sog hineingezogen werden.
Ich möchte betonen, daß dies meine Meinung ist, und es gibt wie immer löbliche Ausnahmen, und auch das ein oder andere tiefsinnige Rollenspiel mag sich auf eine Konsole verirrt haben, sie wirken jedoch m.E. nicht dem Trend entgegen. Auch bedauere ich meine Sicht der Dinge sehr und wünschte mir, es wäre anders. Ich möchte nicht so urteilen, wie ich es tue, der Markt erweckt jedoch diesen Eindruck.
Auch bei der PC Games beobachte ich eine parallele Entwicklung: Beim Lesen habe ich mich in den letzten Jahren daran gewöhnt, daß das sprachliche Niveau eines Die Siedler Reviews von Petra Fröhlich (damals Maueröder) eben nicht mehr als Ideal verfolgt wird. Man bemerkt hier und da, daß die Redakteure zu mehr fähig wären - zielgruppenorientiert wird jedoch darauf geachtet, den von den Konsolen dem geistigen Anspruch Entwöhnten nicht zu viel geistige Anstrengung zuzumuten.
Konsequent ist, daß das Wertungssystem offensichtlich angepaßt wird, was hier vor allem heißt: Die Wertungen orientieren sich am Markt. Und wenn der nichts hergibt, werden eben auch Spiele, die vor zehn Jahren verrissen worden wären, im Review gelobt. Frei nach dem Motto: "Unter den Blinden ist der Einäugige König."
Welche anspruchsvollen Inhalte haben z.B. Medal of Honor, Call of Duty oder Need for Speed jemals geschaffen? Sie sind kurzweilig und machen Spaß - das sind löbliche Eigenschaften für ein Spiel, jedoch erschöpfen sich deren Potentiale darin auch. Sie bekommen aber Wertungen auf dem Niveau von Deus Ex, Gothic und Civlization.
Und da darf man durchaus mal darüber nachdenken, wieviele Stunden Spielspaß, wieviele Stunden Fesselung und Abtauchen in eine liebevoll gestaltete Spielwelt diese Titel jeweils bieten. Der Preis pro Stunde Spielspaß liegt bei Civilization, wenn man sich auf das Spiel einläßt, bei weit unter einem Cent. Call of Duty spielt man genau einmal - und selbst da bemerkt man, daß das Spiel einfach nur unfair ständig neue Gegnger auf den Spieler hetzt (Quantität), ohne wirklich eine einzige anspruchsvolle und dabei faire Spielszene (Qualität) zu schaffen.
(Die genannten Spiele sind Beispiele ohne Anspruch auf Vollständigkeit.)
Eine Zeit lang hatte die PC Games sich diesem Konzept der Beurteilung auch verschrieben: Wieviele Stunden Spielspaß bietet ein Spiel für welches Geld? Dieser Ansatz wird m.E. jedoch nicht konsequent genug verfolgt.
Unter dem Einfluß dieser Abstumpfung der Spiele leidet auch deren Vielfalt und letztlich auch deren schlichte Anzahl. Daß die Anzahl der Spieletests immer weniger wird, dafür kann die PC Games natürlich wenig - worüber berichten, wenn es wenig zu berichten gibt? Auf der anderen Seite verschuldet die PC Games diesen Trend vielleicht mit: Wenn die "Fachpresse" selbst die dümmsten Titel in den Himmel lobt, warum sollten die Publisher irgendetwas ändern?
Da wird dem neuen Need for Speed Hot Pursuit, welches nun wirklich bis auf Detailarbeit ein absolut bekanntes Spielprinzip bietet, mit einem seitenlangen Preview gehuldigt, aber ein Titel mit wirklich Tiefgang wird - und hier kommen wir zum Stein des Anstoßes für diesen Brief - in einem Mini-Artikel abgefrühstückt: "Civilization 5 bleibt dem Geist der Serie treu. [...] Für den fünften Teil hat Fireaxis noch ein wenig an der Grafikschraube gedreht und Detailverbesserungen vorgenommen.", schreibt Christian Schlütter in seiner Strategiespielrubrik.
Dieser Mann zeigt dabei ein absolutes Unverständnis für die Civ-Serie und offenbart leider den schon oben angesprochenen Trend: Weil Spieler und scheinbar auch Redakteure sich bereits daran gewöhnt haben, daß Grafik verbessert, spielerischer Tiefgang jedoch nicht aus- sondern eher abgebaut wird, werden auch nur noch die gewohnten Verbesserungen untersucht: "Wie sieht die Grafik aus? Gibt es coole Zwischensequenzen? Haben wir 3D? Surround-Sound?" Darum geht und ging es in der Civ-Reihe jedoch nie, und eigentlich trifft dies auch auf die meisten anderen Strategiespiele zu.
Daß das gesamte Kampsystem in Civlization 5 grundlegend umgekrempelt wurde, läßt Herr Schlütter völlig außer Acht: Hexagone Felder und die Beschränkung nur einer Kampfeinheit pro Feld sind völlig neue Wege bei Civilization und fallen definitiv nicht unter "Detailverbesserungen". Das Kampfsystem wurde überhaupt noch niemals in der Serie wirklich überarbeitet.
Der Wegfall der Religionen nimmt gegenüber Civilization 4 ein ganzes Strategie-Element aus Civ 4 (wieder) heraus, und die neuen Stadtstaaten bieten bisher nicht dagewesene diplomatische Möglichkeiten. Darüber hinaus wurden alle Siegbedingungen deutlich verändert, das Verhalten der KI (über die in Actionspielen manchmal seitenweise berichter wird) einer Generalüberholung unterzogen, Fernkampeinheiten schießen über Spielfelder hinweg (das war auch in Civ3 mal der Fall), Einheiten werden bei Niederlagen nicht direkt zerstört, Städte können größer werden als in jedem anderen Teil der Serie, es gibt ein bisher nicht dagewesenes Konzept von "Social Policy" ...
Kurzum: Civ5 wird vieles anders machen, und die nicht eben kleine Community der "Möchtegern-Imperialisten" erwartet diesen Titel mit höchster Spannung. Nicht alles davon stellt eine Revolution dar, das Spielerlebnis jedoch wird sich von dem vorheriger Teile der Serie deutlich genug unterscheiden, daß es hier mit "Detailverbesserungen" nicht getan ist.
Sollten die von mir genanten Neuerungen im Spiel bereits in einem Special zu Civ5 erwähnt worden sein (meines Wissens nicht der Fall, aber ich lese nicht mehr jede Ausgabe), so hätte im Artikel darauf hingewiesen werden können. So, wie der "Artikel" (man möchte hier eher von Randnotiz sprechen) das Spiel abhandelt, wird er diesem Spiel keinesfalls gerecht. Zumal nicht in einer Zeit, in der Spiele mit Tiefgang mangels Vorhandensein in der PC Games nicht allzu häufig getestet werden können. Herr Schlütter selbst schreibt einleitend über seine Rubrik, "Strategen wurden auf der E3 kaum bedient", um dann diese seit Jahren etablierte, wahre Perle der Strategiespiele mit Ignoranz abzustrafen. Hätte man nicht gerade deswegen mehr berichten können oder müssen, eben weil es so etwas Besonderes ist?
Auch ist sein folgendes, für mich wahrlich ersponnendes Fazit ein absolut Falsches: "Anscheinend wagen sich im Schatten von R.U.S.E. und Starcraft 2 kaum Publisher an mein Lieblingsgenre." Hier ignoriert Herr Schlütter den Erscheinungstermin von Civ 5, welches im gleichen Monat wie R.U.S.E. erscheint.
Nicht einmal die Prüfsiegel-Vergabe, ein simples System für die Bewertung der vorgestellten E3-Titel, wurde korrekt angewandt: Das "starke Marke" Siegel hätte Civ 5 ohne Zweifel verdient, zumal Herr Schlütter selbst in seinem zusammenfassenden Messe-Eindruck von einer "großen Marke" spricht.
(Ende erster Teil, da mehr als 10.000 Zeichen)
Ein paar Infos zu mir vorweg: Ich bin seit ca. 1994 ein treuer Leser der PC Games. Dementsprechend habe ich mittlerweile ein Alter erreicht (29), in dem ich wahrscheinlich schon gar nicht mehr der Mehrheit der Zielgruppe entspreche. Ich spiele auch nicht mehr viel, vielleicht 8 Stunden in der Woche, eher weniger, gelegentlich mal mehr. Natürlich sind im Laufe der Jahre dennoch einige Spielstunden Erfahrung zusammengekommen, und früher war ich auch deutlich aktiver bis hin zu Engagements als Spieler in einem Clan und auch jahrelang als Linux Game Server Admin hinter den Kulissen bei einem GSP.
Beruflich stehe ich als Administrator der EDV im Allgemeinen, nicht (mehr) jedoch der Spielewelt im Speziellen nah. So viel zu meiner Person und meinen Hintergründen.
Mein offener Brief äußert Kritik an einem Artikel im Speziellen, aber auch an einer Entwicklung der PC Games sowie der Computerspielewelt im Allgemeinen. Dabei nutze ich Letztgenannte vor allem, um eine Parallelentwicklung zwischen der PC Games als Zeitschrift und den Computerspielen im Allgemeinen aufzuzeigen, insofern empfinde ich sie hier als passend.
Und zum Inhalt:
Ich lese im Moment die aktuelle Ausgabe der PC Games mit dem E3-Special. Dabei finde ich in einem einzigen, nur 105 Wörter zählenden Artikel all mein Empfinden über die Situation der Computerspiele bestätigt: Oberflächliche Spiele, die ihren Fokus überwiegend auf grafische Präsentation von Action-geladenen Szenen legen, dominieren den Markt, während Spiele mit Tiefgang oder vor dem Hintergrund einer tiefgründigen Geschichte zunehmend dünner gesäht werden.
Diesen Trend laste ich persönlich hauptsächlich den Konsolen an, die in ihrer Einfachheit das Actionspiel am besten präsentieren können und beim Spielen am HD-Fernseher dem Hollywood-"verwöhnten" Spieler geradezu die Erwartung audiovisueller Perfektion schüren, während sie jedoch bisher nicht das Potential entwickeln, scheinbar auch kein Interesse daran zeigen, einem Spieler nennenswert geistigen Anspruch abzuverlangen. Stattdessen wird, wie zum Beleg für meine Sicht der Dinge, auf reißerische Elemente zurückgegriffen wie z.B. das Erschießen von mehreren Geiseln (Call of Duty: Modern Warfare 2). Es spricht den Spieler an, eben nur weil es tabubrechend und reißerisch ist - und einfacher, als sich über ein Konzept im Hintergrund des Spieles Gedanken zu machen, bei dem Handlungen des Spielers Folgen haben für den weiteren Spielverlauf. Man könnte sagen: Ein geistiges Armutszeugnis.
An sich wäre die Entwicklung auf der Konsole dem PC Spiel auch egal, wäre da nicht die Wirtschaftlichkeit von Parallel-Entwicklungen für Konsole und PC: Damit die Konsole nicht überfordert wird, wird der PC unterfordert. Spielkomplexität bleibt dabei auf der Strecke. Mann kann nur hoffen, daß die fantastisch weiten Welten von Online-MMORPGS (welche ich im Bewußtsein des Zeitfaktors lieber nicht anfasse) nicht bei einem abenteuerlichen Versuch, sie für Konsolen zugänglich zu machen, ebenfalls in diesen Sog hineingezogen werden.
Ich möchte betonen, daß dies meine Meinung ist, und es gibt wie immer löbliche Ausnahmen, und auch das ein oder andere tiefsinnige Rollenspiel mag sich auf eine Konsole verirrt haben, sie wirken jedoch m.E. nicht dem Trend entgegen. Auch bedauere ich meine Sicht der Dinge sehr und wünschte mir, es wäre anders. Ich möchte nicht so urteilen, wie ich es tue, der Markt erweckt jedoch diesen Eindruck.
Auch bei der PC Games beobachte ich eine parallele Entwicklung: Beim Lesen habe ich mich in den letzten Jahren daran gewöhnt, daß das sprachliche Niveau eines Die Siedler Reviews von Petra Fröhlich (damals Maueröder) eben nicht mehr als Ideal verfolgt wird. Man bemerkt hier und da, daß die Redakteure zu mehr fähig wären - zielgruppenorientiert wird jedoch darauf geachtet, den von den Konsolen dem geistigen Anspruch Entwöhnten nicht zu viel geistige Anstrengung zuzumuten.
Konsequent ist, daß das Wertungssystem offensichtlich angepaßt wird, was hier vor allem heißt: Die Wertungen orientieren sich am Markt. Und wenn der nichts hergibt, werden eben auch Spiele, die vor zehn Jahren verrissen worden wären, im Review gelobt. Frei nach dem Motto: "Unter den Blinden ist der Einäugige König."
Welche anspruchsvollen Inhalte haben z.B. Medal of Honor, Call of Duty oder Need for Speed jemals geschaffen? Sie sind kurzweilig und machen Spaß - das sind löbliche Eigenschaften für ein Spiel, jedoch erschöpfen sich deren Potentiale darin auch. Sie bekommen aber Wertungen auf dem Niveau von Deus Ex, Gothic und Civlization.
Und da darf man durchaus mal darüber nachdenken, wieviele Stunden Spielspaß, wieviele Stunden Fesselung und Abtauchen in eine liebevoll gestaltete Spielwelt diese Titel jeweils bieten. Der Preis pro Stunde Spielspaß liegt bei Civilization, wenn man sich auf das Spiel einläßt, bei weit unter einem Cent. Call of Duty spielt man genau einmal - und selbst da bemerkt man, daß das Spiel einfach nur unfair ständig neue Gegnger auf den Spieler hetzt (Quantität), ohne wirklich eine einzige anspruchsvolle und dabei faire Spielszene (Qualität) zu schaffen.
(Die genannten Spiele sind Beispiele ohne Anspruch auf Vollständigkeit.)
Eine Zeit lang hatte die PC Games sich diesem Konzept der Beurteilung auch verschrieben: Wieviele Stunden Spielspaß bietet ein Spiel für welches Geld? Dieser Ansatz wird m.E. jedoch nicht konsequent genug verfolgt.
Unter dem Einfluß dieser Abstumpfung der Spiele leidet auch deren Vielfalt und letztlich auch deren schlichte Anzahl. Daß die Anzahl der Spieletests immer weniger wird, dafür kann die PC Games natürlich wenig - worüber berichten, wenn es wenig zu berichten gibt? Auf der anderen Seite verschuldet die PC Games diesen Trend vielleicht mit: Wenn die "Fachpresse" selbst die dümmsten Titel in den Himmel lobt, warum sollten die Publisher irgendetwas ändern?
Da wird dem neuen Need for Speed Hot Pursuit, welches nun wirklich bis auf Detailarbeit ein absolut bekanntes Spielprinzip bietet, mit einem seitenlangen Preview gehuldigt, aber ein Titel mit wirklich Tiefgang wird - und hier kommen wir zum Stein des Anstoßes für diesen Brief - in einem Mini-Artikel abgefrühstückt: "Civilization 5 bleibt dem Geist der Serie treu. [...] Für den fünften Teil hat Fireaxis noch ein wenig an der Grafikschraube gedreht und Detailverbesserungen vorgenommen.", schreibt Christian Schlütter in seiner Strategiespielrubrik.
Dieser Mann zeigt dabei ein absolutes Unverständnis für die Civ-Serie und offenbart leider den schon oben angesprochenen Trend: Weil Spieler und scheinbar auch Redakteure sich bereits daran gewöhnt haben, daß Grafik verbessert, spielerischer Tiefgang jedoch nicht aus- sondern eher abgebaut wird, werden auch nur noch die gewohnten Verbesserungen untersucht: "Wie sieht die Grafik aus? Gibt es coole Zwischensequenzen? Haben wir 3D? Surround-Sound?" Darum geht und ging es in der Civ-Reihe jedoch nie, und eigentlich trifft dies auch auf die meisten anderen Strategiespiele zu.
Daß das gesamte Kampsystem in Civlization 5 grundlegend umgekrempelt wurde, läßt Herr Schlütter völlig außer Acht: Hexagone Felder und die Beschränkung nur einer Kampfeinheit pro Feld sind völlig neue Wege bei Civilization und fallen definitiv nicht unter "Detailverbesserungen". Das Kampfsystem wurde überhaupt noch niemals in der Serie wirklich überarbeitet.
Der Wegfall der Religionen nimmt gegenüber Civilization 4 ein ganzes Strategie-Element aus Civ 4 (wieder) heraus, und die neuen Stadtstaaten bieten bisher nicht dagewesene diplomatische Möglichkeiten. Darüber hinaus wurden alle Siegbedingungen deutlich verändert, das Verhalten der KI (über die in Actionspielen manchmal seitenweise berichter wird) einer Generalüberholung unterzogen, Fernkampeinheiten schießen über Spielfelder hinweg (das war auch in Civ3 mal der Fall), Einheiten werden bei Niederlagen nicht direkt zerstört, Städte können größer werden als in jedem anderen Teil der Serie, es gibt ein bisher nicht dagewesenes Konzept von "Social Policy" ...
Kurzum: Civ5 wird vieles anders machen, und die nicht eben kleine Community der "Möchtegern-Imperialisten" erwartet diesen Titel mit höchster Spannung. Nicht alles davon stellt eine Revolution dar, das Spielerlebnis jedoch wird sich von dem vorheriger Teile der Serie deutlich genug unterscheiden, daß es hier mit "Detailverbesserungen" nicht getan ist.
Sollten die von mir genanten Neuerungen im Spiel bereits in einem Special zu Civ5 erwähnt worden sein (meines Wissens nicht der Fall, aber ich lese nicht mehr jede Ausgabe), so hätte im Artikel darauf hingewiesen werden können. So, wie der "Artikel" (man möchte hier eher von Randnotiz sprechen) das Spiel abhandelt, wird er diesem Spiel keinesfalls gerecht. Zumal nicht in einer Zeit, in der Spiele mit Tiefgang mangels Vorhandensein in der PC Games nicht allzu häufig getestet werden können. Herr Schlütter selbst schreibt einleitend über seine Rubrik, "Strategen wurden auf der E3 kaum bedient", um dann diese seit Jahren etablierte, wahre Perle der Strategiespiele mit Ignoranz abzustrafen. Hätte man nicht gerade deswegen mehr berichten können oder müssen, eben weil es so etwas Besonderes ist?
Auch ist sein folgendes, für mich wahrlich ersponnendes Fazit ein absolut Falsches: "Anscheinend wagen sich im Schatten von R.U.S.E. und Starcraft 2 kaum Publisher an mein Lieblingsgenre." Hier ignoriert Herr Schlütter den Erscheinungstermin von Civ 5, welches im gleichen Monat wie R.U.S.E. erscheint.
Nicht einmal die Prüfsiegel-Vergabe, ein simples System für die Bewertung der vorgestellten E3-Titel, wurde korrekt angewandt: Das "starke Marke" Siegel hätte Civ 5 ohne Zweifel verdient, zumal Herr Schlütter selbst in seinem zusammenfassenden Messe-Eindruck von einer "großen Marke" spricht.
(Ende erster Teil, da mehr als 10.000 Zeichen)