Spassbremse am 08.10.2008 12:12 schrieb:
Gestern kam auf ARTE eine spannende Dokumentation über das Feindbild schlechthin aller einigermaßen sozial denkenden Meschen: Finanzinvestoren.
Ich habe mir die Doku endlich ansehen können, und muss dir da widersprechen.
Natürlich geht es auf den ersten Blick um Wyser-Pratte, einen Kapitalisten wie er im Buche steht, der seinen Glauben an den Shareholder Value mit allen Mitteln durchsetzt (egal wie moralisch verwerflich sie sein mögen) und über sein eigenes Handeln etwas verquere Ansichten hat.
Aber das eigentliche Problem hat der gechasste Vorstandsvorsitzende des Roboterherstellers erkannt: Ein solches Unternehmen hat nichts an der Börse verloren. In Europa wird ein Börsengang oft als eine Art Fremdkapitalbeschaffung der leichteren Art betrachtet, das ist aber falsch! Ein Aktionär ist nichts anderes als ein Eigentümer der Firma. Natürlich heißt es, dass Eigentum verpflichtet - dem wird mittlerweile durch das Konzept des Stakeholder Values Rechnung getragen - aber nichtsdestotrotz hat der Eigentümer das Recht über sein Eigentum zu bestimmen.
In dieser Hinsicht muss vor allem bei deutschen Manager ein Umdenken einsetzen: Wenn man an die Börse geht, hat man den Aktionären die selbe Verantwortung gegenüber wie bisher den Eigentümern.
Selbstverständlich sind die Anliegen der Aktionäre nicht immer edel, vielen geht es nur um das schnelle Geld. Aber daran ist der Handel mit Aktien (also der Handel mit Unternehmen) im Allgemeinen schuld - wenn Männer wie Wyser-Pratte herausgefunden haben, wie sie dieses System zu ihrem Nutzen arbeiten lassen können, kann man ihnen da eigentlich keinen Vorwurf machen.
Eher im Gegenteil - vielleicht sorgen die Heuschreckenattacken dafür, dass sich Unternehmenseigentümer über geplante Börsengänge mehr Gedanken machen: Wollen sie wirklich, dass wildfremde Menschen problemlos Eigentümer ihrer Firma werden können?
Umgekehrt gilt natürlich auch für die deutschen Aktionäre, dass sie sich nicht vor ihrer Verantwortung drücken dürfen. Aktien sind nicht nur eine Kapitalanlage. Wer nicht auf die Hauptversammlung geht, weil er seine Aktie als eine Art Spareinlage sieht, spielt Typen wie Wyser-Pratte in die Hand - der kann nämlich nun mit einem relativ geringen Einsatz den Unternehmenskurs (z.B. solchen Unsinn wie kreditfinanzierte Sonderausschüttungen) bestimmen. Würde jeder sein Recht auf die Teilnahme an der Hauptversammlung wahrnehmen, bräuchte er statt 7 % nun 51 % der Aktien - so liquide ist er dann auch nicht.
Kurz gesagt: Sowohl Manager als auch Aktionäre spielen hierzulande das große Börsenspiel, ohne die Regeln zu kennen. Das ist natürlich fatal, wenn ein Zocker wie Wyser-Pratte mitmischt.