Ich weiß, dass dieser Thread schon "uralt" ist, aber ich muss einfach nochmal antworten. Ehrlicherweise hoffe ich ja immer noch, dass sich irgendwann mal eine Zeitschrift traut, über dieses Thema zu berichten: Monetarising vs Gamedesign - Wie Spiele schlechter gemacht werden, als sie sein müssten
Nach dem in meinen Augen oberflächlichen, ungenauen und nicht alle Fakten berücksichtigendem Test von Forza 7 mache ich mir da aber wenig Hoffnung.
Nun gut, was will ich eigentlich schreiben: Die ganze Lootproblematik beeinflusst das Spiel und betrifft uns alle ganz massiv. Bleiben wir bei Forza 7. Ich mag Forza, ich habe Spaß mit Teil 7, aber ich weiß, dass mich die Lootboxen auch dann massiv betreffen, wenn ich sie nicht kaufe. Und es geht auch nicht darum, ob ich alles haben möchte. Es geht darum, dass das Spieldesign durch die Lootboxen massiv beeinflusst wird und damit auch denjenigen trifft, der weder alle Autos haben möchte, noch Lootboxen öffnet.
Forza 6 war erfolgreich, Horizon 3 auch. Wie verkauft man Forza 7? Man könnte es mit neuen Tracks, neuen Autos, besseren Mechaniken probieren. Das Problem dabei - das alles kostet Geld und bringt nichts ein.
Was wurde bei Forza 7 gemacht? Man nehme 700 Autos - okay, rund 650. Vergessen wir nicht, dass Rennwagen mit unterschiedlicher Bemalung doppelt, dreifach oder elffach gezählt werden. Formual-E fällt mir da ebenso ein wie Nascar und Indycar. Es lebe das Einheitschassis. (Steht davon was im Test? Nö.) Gut, von den 650 Autos kommen geschätzte 620 aus Forza 6 und Horizon 3.
Dann nehme man 32 Strecken. Okay, 28 davon gab es schon in Teil 6, 3 weitere kommen aus Teil 4 dazu (zugegeben mit schönerer Grafik) und für Promoevents baut man eine (!!!) neue Strecke, die dann auch immer gezeigt wird und den zusammenpilgernden Redakteure gegenüber andeutet, dass es neuen Inhalt gibt. Es klappt, der Hypetrain rollt.
Wie verkauft man einem Spieler nun also 30 neue Autos und eine wirklich neue Strecke? Man lässt ihn spielen und dabei Spaß haben. Und das klappt ja auch. Im Test wird sich gefreut, wie motivierend es ist, alles mögliche zu sammeln. Forza 7 wurde nicht entwickelt, damit man bessere Rennen als in Forza 6 fahren kann. (Das Gegenteil ist der Fall? Kann man die Uhrzeit des Rennens einstellen? Nein. Mehr als Regen ja oder nein? Nein. Gibt es Nacht und Regen auf allen Strecken? Nein, nur auf der Hälfte. Gibt es mehr Rivals? Nein, weniger. Gibt es mehr Multiplayer-Kategorien? Nein, deutlich weniger. Sind die Ligen wie in Forza 6 online? Nein. Das Auktionshaus? Nein. Der motivierende Forzathon aus Horizon 3? Nein. Steht davon irgendwas im Test? Nein!)
Forza 7 wurde entwickelt, damit man wieder von vorne mit dem Sammeln anfangen kann. Was kann man alles sammeln? Autos - durch Ingamecredits, zeitlich begrenzte Käufe beim Spezialtitätenhändler, als Boni beim Levelaufstieg, als Belohnung für Rivals, als Belohnung beim Forzathon (wenn er denn irgendwann mal kommt) und Lootboxen. Klamotten - nur Levelaufstiege und Lootboxen. Abzeichen - nur Lootboxen. Mods - nur Lootboxen. Ingame-Level, Forza-Tiers (bringen Creditbelohnungen, zum Aufstieg braucht man aber Modkarten, Autos und Anzüge - wo gibt es die? In Lootboxen.) Sammelt Leute, sammelt! Da steckt die ganze Arbeit drin. Im perfekten Sammeln. Das motiviert den Tester, auch wenn er ahnt, dass da wohl noch mal was mit den Lootboxen kommt.
Es gab einen Weg, mit einigens Autos, die besondere Boni bringen, mehr Geld zu erringen und vor allem im Level deutlich schneller aufzusteigen. Das führte dazu, dass man Autos schneller bekam. Für Spieler, die das nutzten, waren Lootboxen plötzlich vollkommen uninteressant. Ich habe es ein einziges Mal erlebt, dass Turn10 innerhalb von einer Woche einen Patch fertig hatte - als es darum ging, diese Autos zu entschärfen. Wurde an mangelnden Features gearbeitet - etwa NPC-Autos in privaten Multiplayerlobbies, die es vorher immer gab, diesmal aber nicht? Nein. Es ging um das Lootbox-System.
Hat sich Turn10 überlegt, neue Strecke zu entwickeln, um sie als DLC zu verkaufen? Nein, sie wollen Tokens für die Lootboxen verkaufen. Kann ich alle Autos freischalten? Nein, ein Teil lauert hinter Lootboxen - oder ich habe im richtigen Moment Zeit, den Spezialitätenhändler aufzusuchen. Natürlich kann ich irgendwann irgendwie an fast alle Autos rankommen und natürlich brauche ich nicht alle, aber wer den F458 fahren will, sieht ihn in der Liste als gesperrtes Auto und kann nun hoffen, ihn in einer Lootbox zu ziehen. Früher gab es diese Autos auch, z.B. als exklusive Belohnungen bei Horizon 3. Da wurden sie aber nicht gezeigt mit dem Hinweis - du kriegst sie irgendwann mal oder jetzt als Lootbox.
Lootboxen betreffen jeden Forza 7 Spieler, denn das ganze Spiel wurde um sie herum gebaut. Wollten die Entwickler, dass wir auf neuen Strecken fahren? Neue Autos haben? Der Multiplayer ausgebaut wird? Wir Boxenstopps wie im Trailer gezeigt erleben (auch von dieser Kundentäuschung steht im Test kein Wort)? Nein. Was ist wirklich neu in Forza 7, was es vorher noch nie einem Forza-Spiel gab (wenn man von den Modpacks in Forza 6 absieht)? Lootboxen für alles mögliche. Haben die Anzügen einen Mehrwert? Nein, man kann sie halt mit Lootboxen sammeln. Brauche ich die Abzeichen für irgendwas? Nein, aber ich kann sie in Lootboxen sammeln. Da sind Entwicklungsresourcen hingeganen! Nicht in besseres Gameplay, einen Karrieremodus mit Story und solche Dinge, die das Spielerlebnis verbessern könnten. Achja, die im Test gelobte Karriere ist nichts weiter als das Fahren von allen möglichen Klassen auf allen möglichen Strecken. Es gibt keinerlei Storyelemente. Bei PC2 wurde das kritisiert, weil es öde ist, weil man ja schon alle Autos hat. Bei Forza 7 wurde es im Test gelobt, weil das Sammeln so motivierend ist...
Noch ein Wort zu Community: Die stribt, weil eben keiner mehr Bemalungen für Autos erstellt. Grund 1: Der Editor stürzt oft ab. Grund 2 betrifft aber wieder die Lootboxen. Früher habe ich ein Auto ausgewählt, haben den Preis angezeigt bekommen und habe gleich dabei eine Bemalung gewählt. Dadurch wurden diese immer angeboten, waren stets präsent. Jetzt kriege ich das neue Auto als Karte, etwa nach einem Levelanstieg. Das geht mit dem System der Lootboxen einher, wo ich auch eine Karte ziehe. Dadurch sammle ich Autos, ohne dass mit Bemalungen angeboten werden. Dadurch werden weniger ausgewählt, es werden weniger erstellt, die Community wird geschwächt.
Noch eine Sache: Früher kaufte ich einen Golf und tunte ihn. Jetzt kann ich Autos in fast allen Modi nur noch fahren, wenn sie homologiert sind, also in dem Zustand, in dem sie aus der Lootbox kommen. Homologieren macht die Autos gleich, ihre Werte leiten sich nicht mehr aus ihren realen Vorbildern ab. Das macht die Rennen ausgewogener, es hat aber noch andere Effekte. Ich tune Autos nicht, ich baue sie nicht auf, ich konsumiere sie. Dadurch kann ich schneller spielen, baue wenig Bezug zu meinem getunten Golf auf, entwickle ihn für die nächst höhere Rennklasse nicht mehr weiter wie bei Forza 6. Ich lege das Auto gedanklich beiseite und nehme das nächste. Ich kann ja auch nicht anders, ich brauche wieder ein passendes, homologiertes Auto. Das komplette Tunen ist zusammengebrochen, dieser Teil der Community ist fast tot. Warum? Wegen Lootboxen. Wurde das im Test reflektiert, angesprochen, in einem gesonderten Artikel über den Einfluss von Monetarisierung auf das Gamedesign thematisiert? Nein.
Um mal den Bezug zum Anfang zu kriegen: Lootboxen und Monetarisierung beeinflussen inzwischen das Gamedesign stärker als der Anspruch, ein gutes Spiel zu entwickeln. Wer das nicht glaubt, frage sich bitte, warum wohl der vierte Akt im Mordor-Abenteuer ein reines Grinden ödester Art ist. Hat da einer auf Spielspaß oder Lootboxkäufe hin optimiert? Warum betrifft der erste, mögliche Forzapatch das Lootsystem? Wieso kann ich Bobafett in Battlefront 2 für eine Zeit lang unverwundbar machen, wenn ich die richtige Karte in einer Lootbox finde? Geht es da um Spielspaß für alle? Um Gamedesign? Um Balancing? Oder um Lootboxen? Ich würde mir wünschen, wenn mal eine Zeitschrift ernsthaft recherchiert und berichtet, wie sehr Spiele inzwischen auf Gewinnmaximierung optimiert werden und wie sehr der Spielspaß darunter leidet. Noch eine Anmerkung dazu: Forza 5 hatte nur 200 Auto und gerademal 12 oder 13 Strecken plus 3 per DLC. Als man Forza 6 verkaufen wollte, hat man versucht, die Kunden mit neuen Strecken und einem deutlichen mehr an Autos zu gewinnen. Die Streckenzahl hat sich dann auf 26 erhöht (plus 2 in DLCs). Forza 7 hat keine 10 neuen Strecken. Hätte man nicht auf Lootboxen, sondern auf maximal zufriedene Kunden gesetzt, die auch blind Forza 8 kaufen wollen, hätte das Spiel wohl noch 6 Strecken mehr gehabt...
Und wenn wir das mal weiterspinnen: Ich spiele Overwatch nicht, aber wer sich fragt, warum der zweite Teil noch nicht angekündigt ist: Solange die Lootboxen bei Teil 1 für Einkünfte sorgen, solange muss Teil 2 garnicht entwickelt werden.
Und tagesaktuell: Das neue Visceral-Star-Wars-Game wurde eingestellt. EA will stattdessen etwas anderes entwickeln, an dem die Spieler längerfristig Spaß haben. EA hat offen zugegeben, lieber ein Game-as-service zu entwickeln, als ein Single-Playergame ohne Loot-Monetarisierung. Da wurde ein ganzes Spiel gekillt, weil keine Lootboxen reingepasst haben. Meiner Meinung nach wird es Zeit, das Thema nicht länger totzuschweigen, sondern als Aufmacher für die Weihnachtsausgabe zu bringen. Lootboxen betreffen inzwischen nämlich sogar diejenigen, die keine Spiele mit solchen Mechaniken auf der Festplatte haben.
PS: Microsoft bietet so eine Rückgabe an.