• Aktualisierte Forenregeln

    Eine kleine Änderung hat es im Bereich Forenregeln unter Abschnitt 2 gegeben, wo wir nun explizit darauf verweisen, dass Forenkommentare in unserer Heftrubrik Leserbriefe landen können.

    Forenregeln


    Vielen Dank

Flexibilität?

F

FlamishScript

Gast
Flexibilität?

Hallo,

mehr Flexibilität ist gefordert in der schönen neuen Welt der Arbeit:


Flexibilität I

Am Wochenende arbeiten, abends und nachts arbeiten; bis zum Tod arbeiten; auf Abruf arbeiten - so hätte es der moderne Arbeitgerber gern, und mit Hilfe unserer Politiker wird er es wohl auch durchsetzen.

Nun ist der Mensch aber nicht von Natur aus flexibel, sondern gewohnheitsbedürftig - was übrigens auch für die Natur insgesamt gilt: Auch in der gibt es gewisse Zyklen, die im Sinne des Ganzen besser nicht durcheinander geraten - und selbst, wenn man Einfluss nehmen könnte, würde es vermutlich nicht gelingen, z.B. einen Baum das ganze Jahr hindurch Äpfel tragen zu lassen.


Flexibilität II

Nach der Kündigung der Tätigkeit (sowas geht heute schnell, man ist ja zunehmend flexibel) wird eine neue angestrebt - zur Not eine völlig andere; es wird umgelernt, und nochmal umgelernt, und dann wieder umgelernt.

Menschen, die einen Beruf lernen und ihn über Jahrzehnte ausüben, in ihrem Umfeld aufgehen und zum Experten in ihrer Sache werden, gibt es bald nicht mehr. Stattdessen arbeiten in den Betrieben immer mehr Menschen, die immer weniger Ahnung haben und immer frustrierter werden - oder schnell, schnell, schnell das Beste (Geld) für sich herausholen und wieder verschwinden. Der Berufstätige wird zum "Arbeitgeber" - er gibt nur noch Arbeit; Kompetenz hat er nicht mehr, Ideale auch nicht.


Wie heilig ist die Flexibilität eigentlich wirklich? Und wie flexibel ist eine Gesellschaft, in der nichts mehr Bestand hat außer Gier?

Das fragt

Flame
 
AW: Flexibilität?

Ich halte Flexibilität für überaus wichtig. Allerdings nicht in dem Sinne wie sie heute so gerne zitiert wird, sondern insofern als dass menschen lernen sollten auf neue Situationen schnell und passend zu reagieren. Dazu mag gehören, dass man auch mal für einen Kollegen einspringt (auch in einer Nachtschicht beispielsweise), ja, aber wenn die Flexibilität zur Regel wird ist sie nicht mehr flexibel.

Flexbilität ist für mich etwas positives, nämlich vergleichbar mit einer Tätigkeit gewordenen Intelligenz. Intelligenz ist die Fähigkeit eines Gehirns auf eine neue Situation passend zu reagieren, ähnlich ist das bei der vielgerühmten Flexibilität im Arbeitsmarkt und Co. Zwingend erforderlich dafür IST aber nunmal Kompetenz, denn ansonsten weiss der Betreffende nicht wie/ob er adäquat handelt und genauso ist das mit intelligenten Personen. Jemand der nicht allzu intelligent ist kann nunmal viel seltener so rasch so passend auf eine veränderte Gegebenheit reagieren wie eine intelligentere Person in denselben Situationen.

Ergo bringt es nichts die zeitspanne pro Arbeiter pro job zu verringern, gerade ältere und erfahrene Kräfte sollten doch dringend gesucht werden - oder was meint ihr wieso die Chefs in japan so kompetent sind? Die sind nämlich zum grössten Teil ältere Semester die das Ganze schon ein Weilchen kennen und ihre Kompetenz und Flexiblität unter Beweis gestellt haben im Laufe der Zeit. Der Jugendwahn an Arbeitsplätzen in Kombination mit erwähnter Scheinflexbilitätsstarre und Verknüpfung mit einer immer antisozialeren Arbeitsumwelt führte doch letztlich erst zu den krisen der Yuppi-Generationen. Daran sind diese Personen selbst schuld. Die Yuppis die Ende der 70er / 80er in Führungspositionen gelangten haben es verbockt weil sie zunehmend Leute wie sie selbst waren eingestellt haben und nur einstellen wollten. Die Folge - die erforderlichen Qualifikationen für berufseinsteiger sind absurd, die Chancen für kompetente Fachkräfte (wahre Kompetenz braucht nunmal auch Erfahrung) sind gering und die Wirtschaft spürt diese Auswirkungen nun in vollem Maße.
 
AW: Flexibilität?

TheSinner am 12.11.2005 16:11 schrieb:
...und die Wirtschaft spürt diese Auswirkungen nun in vollem Maße.
hoffentlich auch. ich wünsche jeder firma, die weder geld noch zeit aufwenden will, ihre mitarbeiter aus- bzw. weiterzubilden, dass sie keine mitarbeiter mehr findet, die ihrem wunschprofil entsprechen.
was soll das denn... im gegenzug wollen sie leute mit viel erfahrung, vermitteln aber selber keine... wenn das alle machen, ist es ja klar, wohin das nur führen kann. nämlich eben dazu, dass es keine kompetenten arbeitskräfte mehr gibt.
bravo kurzsichtige geschäftspolitik, wirklich, applaus! :B

http://www.global-air.com/global/graphics/applause-clapping_sm.gif ;)
 
AW: Flexibilität?

HanFred am 12.11.2005 16:16 schrieb:
TheSinner am 12.11.2005 16:11 schrieb:
...und die Wirtschaft spürt diese Auswirkungen nun in vollem Maße.
hoffentlich auch. ich wünsche jeder firma, die weder geld noch zeit aufwenden will, ihre mitarbeiter aus- bzw. weiterzubilden, dass sie keine mitarbeiter mehr findet, die ihrem wunschprofil entsprechen.
was soll das denn... im gegenzug wollen sie leute mit viel erfahrung, vermitteln aber selber keine... wenn das alle machen, ist es ja klar, wohin das nur führen kann. nämlich eben dazu, dass es keine kompetenten arbeitskräfte mehr gibt.
bravo kurzsichtige geschäftspolitik, wirklich, applaus! :B

http://www.global-air.com/global/graphics/applause-clapping_sm.gif ;)

ganz genau so ist es und ich schließe mich deinen Wünschen an. habe dafür auch ein konkretes Beispiel aus dem bereich Jorunalismus - ich weiß dass ich schreiben kann, ich würde mir den Hintern aufreißen für die Chance einzusteigen aber was lese ich dort? "Bitte 3 Jahre Berufserfahrung" oder "Bitte Abschluss an Eliteausbildungsort XY" - woher nehmen wenn nicht stehlen, zumal letztgenannter Ort berufserfahrung vorraussetzt (ein toller Kreislauf). Fakt ist - Journalist wird man durch Glück, nicht durch Talent und da wundern sich Leute über die BLÖD-Zeitung... aber ich habe nun endlich Abhilfe, denn ich hatte tatsächlich das Glück "entdeckt" zu werden - urpsrünglich übrigens anhand eines Forenbeitrags der einem Redakteur eines Magazins ausgesprochen gut gefiel und später nun mit dieser (mini-)Qualifikation dort was gemacht zu haben in Verbindung mit Vitamin B habe ich endlich jemanden gefunden der mir die Chance auf ein praktikum gibt und der wiederum Gott&die Welt kennt etcetera. Tolles System, hätte ich nicht Glück gehabt, würd ich den Einstieg vielleicht nie schaffen? Prima.

Der Wirtschaft gehts noch gar nicht dreckig genug denk ich mir manchmal in meinem Kämmerlein.. es kann einfach nicht sein, dass ein 45jähriger Freund von mir der eine Choryphäe auf dem Gebiet des Webdesigns ist, arbeitsam und sehr loyal ist schlichtweg aufgrund seines Alters per se abgelehnt wird. Das ist krank und sonst nichts. Da soll man noch freiwillig in Deutschland bleiben wollen bis man gut verdient? ist doch klar, dass die Besserverdiener abwandern - wenn man Deutschland nichts mehr verdankt, dann hat man auch kein Schuldgefühl diesbezüglich. Das ist eine Schande und sonst nichts,
 
AW: Flexibilität?

TheSinner am 12.11.2005 16:11 schrieb:
Wenn die Flexibilität zur Regel wird ist sie nicht mehr flexibel.
Diese Art von "Flexibilität" meine ich. Das, was die Politik uns auf Wunsch der Wirtschaft verkaufen will.
 
AW: Flexibilität?

FlamishScript am 12.11.2005 17:27 schrieb:
TheSinner am 12.11.2005 16:11 schrieb:
Wenn die Flexibilität zur Regel wird ist sie nicht mehr flexibel.
Diese Art von "Flexibilität" meine ich. Das, was die Politik uns auf Wunsch der Wirtschaft verkaufen will.
Wenns schlussendlich zu viele Leute für zu wenig Arbeit gibt wird sämtliche Flexibilität der Welt nichts nützen.

Es ist aber natürlich bequem zu behaupten dass wir zu wenig flexibel sind.. so wird der Schwarze Peter einfach an das schwächste Glied in der Kette weitergereicht.
 
AW: Flexibilität?

HanFred am 12.11.2005 16:16 schrieb:
(...) im gegenzug wollen sie leute mit viel erfahrung (...)
Sie wollen Alleskönner mit viel Erfahrung - wenn ich das mal so ergänzen darf ;)

Was auf diese Weise hervorgebracht wird, ist aber leider eine riesige Gruppe von Nichtskönnern - letzten Endes welche, die wirklich gar nichts können; sie können nicht mal was dafür.
 
AW: Flexibilität?

Von solchen Schlagworten wie "Flexibilität" halte ich nichts. Das Beste ist, wenn sich jeder klar macht, dass man auch im Beruf (um-)lernen muss. Außerdem ist es heutzutage auch so, dass man nicht von Anfang in der selben Stadt arbeitet.

Sonst wird der Begriff aber dermaßen breitgetreten, dass es schon schmerzt.

Übrigens kann Mobbing nur im Team entstehen - soviel zum Thema "Teamwork" :rolleyes:
 
AW: Flexibilität?

Flexibilität steht doch schon seit Jahren als Synonym für Lohnsenkungen.

Flexibilität bei den betrieblichen Bündnissen? Na bestimmt nicht, um vom Tarifvertrag nach oben abweichen zu können, das geht schließlich bereits. Man will also nach unten. -> Lohnsenkung.

Flexibilität beim Kündigungsschutz? "Wahlfreiheit" zwischen Abfindung und Schutz. Pah! Beim derzeitigen Arbeitsmarkt weiß doch jeder, dass der Arbeitslose jede Bedingung akzeptiert. Und wer keinen Kündigungsschutz hat, der ist bei Lohnforderungen in einer schlechteren Verhandlungsposition. -> Lohnsenkung.

Wer von Flexibilität spricht, meint in der Politik IMMER niedrigere Löhne.
 
AW: Flexibilität?

aph am 12.11.2005 20:12 schrieb:
Flexibilität steht doch schon seit Jahren als Synonym für Lohnsenkungen.

Flexibilität bei den betrieblichen Bündnissen? Na bestimmt nicht, um vom Tarifvertrag nach oben abweichen zu können, das geht schließlich bereits. Man will also nach unten. -> Lohnsenkung.

Flexibilität beim Kündigungsschutz? "Wahlfreiheit" zwischen Abfindung und Schutz. Pah! Beim derzeitigen Arbeitsmarkt weiß doch jeder, dass der Arbeitslose jede Bedingung akzeptiert. Und wer keinen Kündigungsschutz hat, der ist bei Lohnforderungen in einer schlechteren Verhandlungsposition. -> Lohnsenkung.

Wer von Flexibilität spricht, meint in der Politik IMMER niedrigere Löhne.
Richtig, die Löhne sind ja auch noch "flexibel" :(
Danke für die Ergänzung!
 
AW: Flexibilität?

aph am 12.11.2005 20:12 schrieb:
Flexibilität steht doch schon seit Jahren als Synonym für Lohnsenkungen.

Flexibilität bei den betrieblichen Bündnissen? Na bestimmt nicht, um vom Tarifvertrag nach oben abweichen zu können, das geht schließlich bereits. Man will also nach unten. -> Lohnsenkung.

Flexibilität beim Kündigungsschutz? "Wahlfreiheit" zwischen Abfindung und Schutz. Pah! Beim derzeitigen Arbeitsmarkt weiß doch jeder, dass der Arbeitslose jede Bedingung akzeptiert. Und wer keinen Kündigungsschutz hat, der ist bei Lohnforderungen in einer schlechteren Verhandlungsposition. -> Lohnsenkung.

Wer von Flexibilität spricht, meint in der Politik IMMER niedrigere Löhne.
Ich finde es auch toll, wie solche positiven Begriffe so von einer Ideologie eingenommen werden können. Andere Worte, die man eigentlich nicht mehr gebrauchen kann, sind noch "Eigenverantwortung" und "liberal" >:|
 
AW: Flexibilität?

drunkenmonkey am 12.11.2005 21:06 schrieb:
aph am 12.11.2005 20:12 schrieb:
Flexibilität steht doch schon seit Jahren als Synonym für Lohnsenkungen.

Flexibilität bei den betrieblichen Bündnissen? Na bestimmt nicht, um vom Tarifvertrag nach oben abweichen zu können, das geht schließlich bereits. Man will also nach unten. -> Lohnsenkung.

Flexibilität beim Kündigungsschutz? "Wahlfreiheit" zwischen Abfindung und Schutz. Pah! Beim derzeitigen Arbeitsmarkt weiß doch jeder, dass der Arbeitslose jede Bedingung akzeptiert. Und wer keinen Kündigungsschutz hat, der ist bei Lohnforderungen in einer schlechteren Verhandlungsposition. -> Lohnsenkung.

Wer von Flexibilität spricht, meint in der Politik IMMER niedrigere Löhne.
Ich finde es auch toll, wie solche positiven Begriffe so von einer Ideologie eingenommen werden können. Andere Worte, die man eigentlich nicht mehr gebrauchen kann, sind noch "Eigenverantwortung" und "liberal" >:|

Oder man bedenke Schlagwörter wie "motiviert" (lies: bereit Überstunden zu machen ohne nennenswerte Vergütung, hau doch ab wenns dir nicht passt), oder "eigenständig" (lies: du bist dir selbst überlassen, aber wehe das Resultat ist nicht perfekt, hau doch ab wenns...) oder auch "entschlussfreudig" (lies: du wirst ständig Entscheidungen fällen müssen unter grösstem Stress und wenn du es verbockst bist du halt wieder arbeitslos, hau doch ab wenns...).

Ich bekomme bei 80% aller Jobbeschreibungen Magenkrämpfe, das sind Kunstwerke der Sprachverschönerungskultur, schlimmer als jeder Milch-Jieper, die Frühstückscerealien und sogar als der finale Rettungsschuss.
 
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