Vor 10 Jahren eskalierte der Konflikt zwischen der Tutsi-Minderheit (15
und Hutu-Mehrheit (85
in Ruanda zum größten Genozid nach dem 2.Weltkrieg.
Auslöser für den Völkermord war der Abschuss des Präsidenten-Jets beim Anflug auf den Flughafen der Hauptstadt Kigali am 6.4.1994. Alle Passagiere wurden getötet, darunter auch der Präsident Ruandas, Juvénal Habyarimana, ein Hutu.
Die Verantwortlichen für dieses Attentat konnten bis heute nicht sicher ermittelt werden. Vieles spricht dafür, dass nicht Tutsies - wie oft behauptet - sondern die Hutu-Militärführung das Attentat auf den Präsidenten verübte, um sich selbst an die Macht zu putschen und dann freie Bahn zu haben für den seit langem geplanten Genozid an den Tutsis. [=> "Pariser Schlacht um Ruandas Genozid", taz, 16.3.04]
Die schon seit Jahren durch Extremisten aufgehetzten Hutus entfesselten dann ab dem 7.4.1994 einen Völkermord, der an Grausamkeit, Geschwindigkeit und Umfang beispiellos ist in der Geschichte. Innerhalb von nur 100 Tagen ermordeten Hutu-Milizen und Helfershelfer ca. 800.000 bis 1 Million Tutsi und oppositionelle Angehörige der eigenen Volksgruppe.
Hunderttausende Tutsis waren bereits in der Vergangenheit vor den wiederholten Pogromen ins Ausland geflohen und hatten dort die RPF (Ruandische Patriotische Front) formiert. Der RPF gelang es, im Juli 1994 den Hutu-Terror zu beenden. Ihr Anführer Paul Kagame wurde Vizepräsident und dann Präsident Ruandas.
Washington wusste Bescheid und schaute weg
[Freitag] Bereits am 11.1.1994 hatte General Roméo Dallaire, Kommandeur der UN-Blauhelme in Ruanda, in einem Telegramm an die UN in New York eindringlich vor dem geplanten Völkermord gewarnt und Hilfe angefordert. Doch die zuständige Abteilung für Friedensmissionen, damals geleitet von Kofi Annan, heute UN-Generalsekretär, verweigerte die notwendige Intervention. Annan empfahl stattdessen den Abzug der Truppen bis auf 270 Mann.
Die UN lehnten damals den Begriff "Völkermord" ab, weil sie sonst gemäß Völkermordskonvention von 1948 hätten militärisch intervenieren müssen.
Annan hat sich inzwischen für dieses Versagen der UN entschuldigt.
Auch die ehemaligen Kolonialmächte Deutschland, Belgien, allen voran Frankreich, das die Hutu-Milizen ausgebildet hatte, griffen nicht ein. Für die einzig verbliebene Supermacht USA war Ruanda offensichtlich nicht wichtig genung, um aktiv zu werden. Die Clinton-Regierung missachtete Warnungen ihrer Afrika-Experten und unterstützte den Abzug der UN-Einheiten aus Ruanda.
Durch die Berichterstattung zum 10. Jahrestages des Genozides in Ruanda sind die damals begangenen Greueltaten noch einmal bewusst geworden. Zehn Jahre nach dem Völkermord stellt sich wieder die drängende Frage, warum weder die UN noch Frankreich noch andere Staaten intervenierten, um das unvorstellbar grausame Gemetzel und Abschlachten von mindestens 800.000 Menschen zu stoppen.
Roméo Dallaire
(ehemaliger Generalleutnant der kanadischen Armee, befehligte 1993/ 94 die UN-Blauhelme in Ruanda. Während des Genozids forderte er vergeblich eine starke UN-Eingreiftruppe)
ausführlicher Bericht:
Denn sie wussten was sie taten [Stern.de] Dazu General Roméo Dallaire :
"Ruander zählten für die Welt damals einfach nicht. Die internationale Gemeinschaft sortierte ihre Prioritäten nach nationalen Interessen. [...]
bei den Entscheidungsprozessen zu Ruanda ergab sich, dass Ruanda handlungsfähigen Ländern nicht wert war, Opfer zu riskieren " [...]
Die internationale Gemeinschaft hat den fundamentalen Fehler, dass sie nicht in der Lage ist, Eigeninteresse zu überwinden und jeden Menschen als Menschen zu sehen, als genau gleich"
[zitiert aus: "Jeder Mensch zählt. Kein Mensch auf der Welt ist mehr wert als ein anderer. In Ruanda wurde das vergessen", in: taz, 7.4.04]
Infos zum Buch (engl.) bei amazon.com (USA) Anders als viele hochrangige Politiker und Entscheidungsträger empfand Dallaire eine Mitschuld am Völkermord in Ruanda und konnte sich nicht verzeihen, dass es ihm nicht gelungen war, die UN-Verantwortlichen und den Sicherheitsrat in New York von der Notwendigkeit einer bewaffneten Intervention zu überzeugen.
Unter der Last von Verantwortung und Schuld zerbrach er innerlich und versuchte mehrmals sich umzubringen. Durch langjährige Therapie, vor allem aber durch das Schreiben seines Buches und die damit verbundene Verarbeitung der Vergangenheit gelang es ihm, sich psychisch wieder zu stabilisieren.