Unglaublich spannend und innovativ
trifft
unglaublich gut und abgedreht
Mikael Hafström, der Filmfans als Regisseur des Dramas „Evil“ und des Thrillers „Derailed“ ein Begriff sein dürfte, hatte bei „1408“ („Zimmer:1408“) die kreativen Zügel in der Hand.
Hierbei ist erwähnenswert, dass Hafström bislang, bis auf einen einmaligen Abstecher ins Horrorgenre („Drowning Ghost“), im Drama bzw. Thrillerbereich zu Hause war und sich nicht dadurch hervorgetan hat, hochbudgetierte Hollywoodfilme zu stemmen. Das wiederum merkt man „1408“ positiverweise auch in nahezu jeder einzelnen Szene an.
Der Regisseur inszeniert seinen Horrorfilm nämlich ruhig und charakterbetont, verzichtet auf eine ausschweifende Effektorgie und überflüssige nur zum Sterben gedachte Nebenfiguren und besinnt sich auf die Wurzeln des ursprünglichen, nervenaufreibenden und gruseligen Horrors der Vergangenheit.
Klarerweise wird auch auf CGI zurückgegriffen, um die verschiedenen Ideen der Kurzgeschichte glaubhaft auf die Leinwand zu bringen, aber die Effekte übernehmen nie die Überhand und verkommen auch nicht zum Selbstzweck bzw. zur einzigen Existenzberechtigung, wie es bei den meisten Sommerblockbustern alla „Spiderman“, „Fluch der Karibik“ und „Fantastic Four“ Gang und Gebe ist.
Mike Enslin (John Cusack; „Con Air“, „High Fidelity“) ist ein Schriftsteller mit Hang zum Zynismus, der Romane über Spukschlösser, Geisterhotels und andere verfluchte Orte aller Art schreibt, ohne wirklich an die Existenz übersinnlicher Wesen zu glauben. Somit waren bisher auch all seine Bemühungen eine metaphysische Begegnung zu machen nicht von Erfolg gekrönt. Das ändert sich jedoch, als er eine anonyme Postkarte des Dolphin Hotels in New York mit der Aufschrift „Don’t enter room 1408“ erhält. Obwohl ihn der dortige Hotelmanager Mr. Olin (Samuel L. Jackson; „Shaft“, „Pulp Fiction“) mit allen Mitteln davon abhalten will in besagtem Raum zu übernachten setzt sich Enslin durch und betritt wenig später das verfluchte Zimmer.
Ab diesem Zeitpunkt beginnt eine Tour de force für den Hauptcharakter, die ihn an die Grenzen seines Verstandes führt.
All jene die nach dieser kurzen Übersicht eine „Ring“-ähnliche Horrorproduktion, einen Folterstreifen alla „Saw“ oder eine stereotypische Haunted Castle Verfilmung wie „13 Geister“ erwarten, werden bitter enttäuscht werden.
„1408“ ist eindeutig mehr Psychothriller als Horrorfilm und überzeugt vor allem durch die glaubwürdige Figurenentwicklung und die detaillierte Darstellung der Gefühlswelt der Hauptfigur. Klarerweise gibt es gute alte Schockszenen, mysteriöse Veränderungen im Zimmer und eindeutig übersinnliche Ereignisse zu beobachten, aber grundsätzlich dominieren Figurenzeichnung, Charakterentwicklung und Spannungsaufbau.
Vor allem letzterer sticht hervor, da die Spannungsschraube konstant angedreht wird, ohne an irgendeiner Stelle des Films Ermüdungserscheinungen zu zeigen. „1408“ bietet keine der sonst genreüblichen und somit langweiligen und vorhersehbaren Pseudoschockzenen sondern steigert die Spannung noch Minuten länger als erwartet, um sich dann in einem völlig unerwarteten Moment zu entladen. Mit großer Wirkung versteht sich.
Auch die Charaktere werden so gut wie selten in einer Horrorproduktion herausgearbeitet. Zugegeben, es sind noch immer klischeehafte Standardhorrorfiguren, aber ihr emotionales Spektrum geht tiefer als gewohnt.
Man nehme nur einmal Samuel L. Jacksons Rolle als Hotelmanager. Extrem trocken und cool mimt er den undurchsichtigen, aber nicht unfreundlichen Hotelmanager des Dolphin, der Enslin davon abhalten will, das besagte Zimmer zu betreten. Jackson legt sein gesamtes Können in die Rolle und verleiht dem Manager extrem mysteriöse und undurchsichtige Züge. Wem während seiner genialen Beschreibung der Vorfälle in Zimmer 1408 nicht die Gänsehaut den Rücken hinaufläuft, der hat in einem Horrorfilm nichts verloren. Vor allem sein frostiger Kurzauftritt in der Mitte des Films und der geniale Cameoauftritt am Ende heben seine Leistung ins unermessliche.
Mehr als 80 Prozent der Handlung von „1408“ finden nur im beengten Raum eines Hotelzimmers und mit John Cussack als genialen Quasialleinunterhalter statt. Intensiver habe ich Cusack noch nie erlebt. Jede Gefühlsregung wirkt echt. Jedes Zeichen der Angst, des heran kriechenden Wahnsinns und der Verzweiflung spiegelt sich realistisch auf seinem Gesicht wieder. Er spielt als würde es kein Morgen geben.
Die tolle Kameraführung trägt ebenfalls ihren Teil dazu bei, dass der Film aus der Masse hervorsticht. Die beklemmende Atmosphäre wird ideal eingefangen und man bekommt ständig das Gefühl, das Hotelzimmer wäre riesig und gleichzeitig klaustrophobisch.
Besonders gut gefallen hat mir jene Einstellung, in der Enslin nahezu durchdreht und sich die Kamera scheinbar minutenlang immer schneller und schneller um ihn herum dreht. Hierbei erhält man das Gefühl in einer Achterbahn zu sitzen, über die man die Kontrolle verloren hat. Das wiederum regt dazu an sich noch fester in den Kinosessel zu pressen, als man es ohnehin schon getan hat.
Die Musik passt sich dem Spannungsaufbau an und unterstützt den Regisseur fleißig dabei, dem Zuschauer einen möglichst raschen Herztod zu bescheren.
Die perfekte Länge von knapp über 90 Minuten rundet das positive Gesamtbild passend ab.
Mit einem Budget von 25 Millionen Dollar spielte der, auf einer Kurzgeschichte von Stephen King basierende, Horrorthriller allein in den USA mehr als 70 Millionen Dollar ein.
Somit ist er bereits jetzt kommerziell weit erfolgreicher als die meisten Pseudohorrowerke der letzten Jahre und interessanterweise auch als alle vorherigen King Verfilmungen mit Ausnahme von „The green Mile“.
Um noch einige Worte zu King zu sagen.
Der Amerikaner ist wohl der bekannteste (lebende) Horrorautor der Welt und liefert seit rund 30 Jahren regelmäßig Vorlagen für mehr oder weniger gute Hollywoodfilme. Sowohl seine Kurzgeschichten („Riding the bullet“, „1408“) und seine Horrorbücher („ES“, „Dreamcatcher“) als auch seine Dramen („Green Mile“) und Thriller („Die Verurteilten“, „Running Man“) erfreuen sich in Tinseltown großer Beliebtheit.
Doch obwohl sich seine Geschichten als Filmvorlagen geradezu aufdrängen und schon fast als fertige Drehbücher herhalten könnten, sind sie kein Garant für hochwertige und spannende Leinwandkost.
Nur die wenigsten Adaptionen glücken und höchst selten gelingt einem Regisseur das Kunststück, die kreativen Ideen von King so bildgewaltig und spannend auf Zelluloid zu bannen wie es Mikael Hafström mit „1408“ schaffte.
Fazit:
Die beklemmende Atmosphäre des Zimmers, in Kombination mit Cussacks Darstellung und den wahnsinnig tollen Ideen der Macher zieht den Zuschauer geradezu magisch in ihren Bann.
Viele Szenen spielen sich im Grenzbereich zwischen Fantasie und Wirklichkeit ab und bieten somit ganz konventionelles Horrokino, ohne Augenauswischerei und Pseudobotschaften.
Am Ende wartet kein möchtegernüberraschendes auf fulminant getrimmtes Finale auf den Zuschauer sondern lediglich die Frage Wird jetzt alles besser oder noch viel schlimmer.
Nachsatz:
Hotelzimmer sind von Natur aus unheimliche Orte.