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Warum nennt man die BRD eigentlich "Rechtsstaat"?

Trancemaster

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Für mich definiert sich "Rechtsstaat" damit, daß ein jeder in irgendeiner Weise sein Recht geltend machen kann, egal aus welcher Gesellschaftsschicht er kommt, bzw. ein jeder Grundrechte hat die seine Verteidigung betreffen.

Beides trifft auf das Rechtssystem der BRD nur bedingt zu. Genau genommen gilt hier nur ein Recht: Das des Geldes! Habe ich Geld zu klagen, bekomme ich Recht, habe ich Geld um mehr Instanzen durchzustehen als meine Gegenpartei - habe ich Recht. Ob ich nun im moralischen Sinne (auf den es ankommt um "Recht" zu sein) Recht habe, spielt überhaupt keine Rolle.
Das Ausmaß dieses "Un"rechts habe ich vor einigen Jahren bei der EXPO miterlebt. Ein kleines Unternehmen, welches diverse Arbeiten wie vereinbart im Deutschen Pavillion durchführte, wurde vom Auftragsgeber (ein großes Deutsches Unternehmen) einfach nicht bezahlt.
Als Grund wurden Mängel angegeben die einfach nicht da waren - und dies konnte nicht nur die Belegschaft der Firma, sondern auch wir "unabhängigen" Mitarbeiter einer anderen Firma beurteilen.
Das Ende von Lied war, daß der Inhaber der kleinen Firma bis in die 2. Instanz gehen musste, weil die "große" Firma Einspruch gegen das Urteil des Amtsgerichts einlegte. Alle Prozesskosten mussten von der kleinen Firma im vorraus bezahlt werden.
Letztendlich ging diese daran zugrunde. 4 Mitarbeiter verloren ihren Job, der Gläubiger ist verschwunden, das große Unternehmen, welches eigentlich keine finanziellen Probleme haben sollte kommt um das bezahlen rum.
Das ist "Recht"?

Ein weiteres Beispiel lief vor kurzem in meinem Umfeld ab. Diesmal handelt es sich um eine Straftat für die eine Geldbuße von 750€ Seitens der Staatsanwaltschaft beantragt wurde. Im Verfahren traten 2 Zeugen für die Staatsanwaltschaft auf und wurden polizeilich vernommen sowie zur Gerichtsverhandlung geladen. Der Beklagte verzichtete auf einen Anwalt, da er ebenfalls 2 Zeugen aufbieten konnte, die bezeugen konnten das er gar nicht zur Tatzeit an diesem Ort gewesen sein kann.
Aufgrund dieser auch durch Belege beweisbaren Aussagen verzichtete er auf einen Anwalt, welchen er im vorraus hätte bezahlen müssen.
Er benannte also diese Zeugen, legte die Unterlagen bei - und hatte regen Schriftverkehr mit dem Richter. Insgesamt 4x beantragte er die Ladung seiner Zeugen zur angesetzten Verhandlung, bzw. deren polizeiliche Vernahme. Der Richter ignorierte diese Eingaben konsequent, so wurde der Strafbefehl der Staatsanwaltschaft bestätigt.
Dieses Vorgehen erinnert stark an den Volksgerichtshof von 1933-1944 bei dem ebenfalls die Verteidigung ihrer Rechte beraubt wurde, bzw. einfach aberkannt wurden.

Allein diese beiden Fälle sind doch wahrlich nicht das, was man sich unter einem "Rechtstaat" vorstellt. Schaut man sich dann noch andere Urteile an, in denen Verbrechen wie Kindesmißbrauch und Vergewaltigung geringer bestraft werden als Steuerhinterziehung" oder das nicht bezahlen von Bußgeldern, so hegt man mit der Zeit doch erhebliche Zweifel.
Woran liegt ein derartiges Versagen der Justiz? An der Überlastung? Warum stellt man dann nicht mehr Personal ein? Weil man es nicht bezahlen kann? Schwer vorzustellen bei dem was an Geldstrafen verhängt - und dan Prozesskosten berechnet wird.

Die Justiz ist doch aber genau das, was am ehesten dazu verführt mit dem Staat unzufrieden zu sein. Sicher - vor Gericht wird immer einer unzufrieden den Saal verlassen - aber das Geld entscheidet wer Recht hat und wer nicht stimmt mit der Philosophie eines Rechtsstaates doch bei weitem nicht überein.
Ebensowenig die Möglichkeit für "Reiche" Haftstrafen durch eine "Zuwendung" an die Staatskasse nicht antreten zu müssen. Sowas geht schon in Richtung "legale Korruption".

Irgendwas ist faul im Staate Dänemark...
 
Sehr schöne ausführung.
Bleibt noch zu sagen, daß wie in einem sozialen Rechtsstaat leben.
Was eigentlich ein Widerspruch insich ist.
Sozial bedeutet ja im Sinne "Gleiches für Alle"
 
Das ganze nennt sich ja auch "Rechtsstaat" und nicht "Rechtstaat" ;)

Man wird mit "Rechts" konfrontiert, was aber nicht bedeutet, dass man Recht erfährt.
 
Fuer Fall 1 gibt's doch Rechtsschutzversicherungen?

Und zu Fall 2 ... Wahrscheinlich hat er bei seinen Antraegen irgendeinen Formfehler gemacht und durfte deswegen nicht vom Richter verwendet werden?
Naja... egal wie sicher der Fall ist... sich selbstverteidigen ist selten hilfreich.

Vergleiche unseren Rechtsstaat mal mit dem weltweiten Mittel, dann stehen wir sicher nicht schlecht da.
 
Loosa am 30.11.2004 17:55 schrieb:
Und zu Fall 2 ... Wahrscheinlich hat er bei seinen Antraegen irgendeinen Formfehler gemacht und durfte deswegen nicht vom Richter verwendet werden?
Naja... egal wie sicher der Fall ist... sich selbstverteidigen ist selten hilfreich.

Wenn ein Formfehler vorliegt, wird der Antrag afaik mit dem Verweis auf den Formfehler abgelehnt. Das ganze schriftlich mit event. Rechtsmittelbelehrung und Anführung von diversen Paragraphen.

Ich war selber mal vor Arbeitsgericht, wegen ungerechtfertigter Kündigung. (Schweiz)
Bis zu einer Summe von 20000.- sFr. ist das Verfahren kostenlos.
Ich hätte meinen damaligen Ex-Arbeitgeber auf ca. 24000.- sFr. verklagen können. Da aber das Risiko, bei Ablehnung der Klage, die ganzen Prozesskosten zu bezahlen doch ein bischen hoch ist habe ich ihn "nur" auf 18000 .- sFr. verklagt.
Ich war jung und hatte kein Geld. Somit war das finanzielle Risiko für mich zu hoch, mein Recht vollumfänglich in Anspruch zu nehmen.
Dort liegt der Hund begraben.
 
Gorthaur am 30.11.2004 18:27 schrieb:
Loosa am 30.11.2004 17:55 schrieb:
Und zu Fall 2 ... Wahrscheinlich hat er bei seinen Antraegen irgendeinen Formfehler gemacht und durfte deswegen nicht vom Richter verwendet werden?
Naja... egal wie sicher der Fall ist... sich selbstverteidigen ist selten hilfreich.

Wenn ein Formfehler vorliegt, wird der Antrag afaik mit dem Verweis auf den Formfehler abgelehnt. Das ganze schriftlich mit event. Rechtsmittelbelehrung und Anführung von diversen Paragraphen.

Hmm, da kenne ich mich zu wenig aus. Aber Satz 2 zu Punkt 2 stimmt trotzdem ;)

Ich will nicht sagen, dass bei uns alles in Butter ist. schwarz-weiß Gesetze in einer grauen Welt kann nicht perfekt funktionieren.

Wir hatten auch schon einen Fall, wo einer nicht gezahlt hat (hmm, inkl. Insolvenzen waren's mehrere Fälle). Sind auch eine kleine Firma und das hat meinem Chef sicher nicht gut getan. Rechtlich hat er's sehr schnell sein lassen, zwecks Kosten/Nutzen Rechnung. I.O. ist das sicher nicht.
Aber wenn das fehlende Geld eines Auftraggebers, oder die Prozesskosten daraus, den Ruin der Firma bedeuten hatte die auch vorher schon Probleme.

Weniger genaue Gesetze, dafür mehr Spielraum für fähige Richter die aber auch mehr Verantwortung für ihre Rechtssprechung tragen müssten.... das wäre vielleicht ein Ansatz Dinge zu verbessern.
Aber unsere Probleme mit dem Rechte sind nicht so extrem schlecht um sie mit 1933-44 zu vergleichen, selbst wenn es Einzelfälle gemein treffen kann, finde ich sowas sehr blauäugig.
Im Vergleich mit weiter West, Ost und Süd haben wir IMHO ein relativ gerechtes System... uhm, naja noch ;)

Menschen sind nicht perfekt.... wer kann da ein perfektes System erwarten? :|

Immerhin kann dank unserer Gesetze Klage gegen Rumsfeld eingereicht werden *bg* http://www.sueddeutsche.de/ausland/artikel/870/43827/
Die US-Juristen stützen sich bei ihrer Anzeige auf das deutsche Völkerstrafgesetzbuch, wonach Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord selbst verfolgt werden können, wenn keine Deutschen daran beteiligte sind und das Vergehen nicht in Deutschland stattfand. „Das deutsche Recht ist an dieser Stelle weltweit führend“, sagte Peter Weiss, der Vize-Präsident der Menschenrechtsgruppe.
 
Trancemaster am 30.11.2004 17:22 schrieb:
Sehr schöne Ausführung über unser Rechtssystem anhand zweier beispiele :top: :top: :top:

Ich stell jetzt einfach mal noch die behauptung in den Raum das wir in einer Plutokratie leben. (Plutokratie = Herrschaft der Reichen)

Begründung? s.o.
 
Trancemaster am 30.11.2004 17:22 schrieb:
Warum nennt man die BRD eigentlich "Rechtsstaat"?

weil die treffendere bezeichnung "unrechtsstaat" bananenrepubliken vorbehalten ist.

Yinzadar am 30.11.2004 21:06 schrieb:
Ich stell jetzt einfach mal noch die behauptung in den Raum das wir in einer Plutokratie leben. (Plutokratie = Herrschaft der Reichen)

ich bin der meinung, wir leben in einer idiotie = herrschaft der schwachsinnigen idioten.
 
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