Am besten finde ich folgenden Leser-Kommentar aus Herrn Jörg Laus Blog zu dem Thema:
Was ist nur in die anspruchsvolle Wochenzeitung gefahren, dass sie im Ressort „Leben“ ihrem Berliner Mitarbeiter Jörg Lau ausladend Platz (und damit Geld) für einen Artikel einräumt, der sowohl journalistischen als auch wissenschaftlichen Kriterien in keiner Weise standhält. Der besagte Artikel dreht sich um ein Thema, das im Kanon der ZEIT-Themen eigentlich nicht existiert: Videospiele. Wer nun einen einführenden oder erläuternden Beitrag zum Thema erwartet wird enttäuscht, denn der Autor missbraucht den raren Magazinplatz für seine höchst private Meinungsmache. Trotz der inhaltlichen Dürftigkeit und unbegründeten Anfeindungen müssen hier einige Dinge richtig gestellt werden.
Herr Lau schaut gerne fern, und hat deshalb vor einigen Woche wohl einen Aspekte-Beitrag im ZDF vom einschlägig bekannten Autor Fromm gesehen, in dem dieser gegen die Gewalt einiger Computerspiele mit zweifelhaften, höchst manipulativen Mitteln zu Felde zog. Dies fiel bei Herrn Lau wohl auf fruchtbaren Boden und er ahnte, wenn er auf diesen Zug mit aufspringen würde, wieder ein wenig Aufmerksamkeit für sich erheischen könnte. Vor einem Jahr war ihm dies bereits mit der relativ unspannenden These gelungen, dass es an unseren Schulen unbedingt weiter Zensuren geben müsste. Die damalige Debatte fand allerdings nur in einem kleinem elitären Lehrerzirkel statt, dieses sollte ihm nicht erneut passieren.
Da Herr Lau offensichtlich von der Materie keinerlei Ahnung zu haben scheint, hätte er für einen fundierten Artikel nun längere Zeit recherchieren müssen. Doch das kostet massig Zeit und könnte eventuell zu überraschenden Erkenntnissen führen, darum hat Lau einfach die Fromm-Thesen mitgeschrieben und verkauft diese nun im Deutschlandradio und DER ZEIT als seine eigenen. Eigentlich sollte er es aus der Schule kennen: wer abschreibt, schreibt auch den Blödsinn des Banknachbarn mit ab.
Mir fehlt die Zeit (und ehrlich gesagt auch die Lust) hier jeden Unsinn detailliert klar zu stellen (das wäre wohl die Aufgabe der ZEIT-Schluss- und Chefredaktion gewesen). Darum nur einige der schlimmsten Rohrkrepierer von Jörg Lau:
Videospiele triefen von Blut und Gewalt
Es ist ja so einfach: man nehme drei Spiele und schließt von diesen auf andere. Dumm nur, dass die gewählten Beispiele alles andere als repräsentativ sind: „Backyard Wrestling 2“ ist ein mieser Prügeltitel, von dem außer den Herren Fromm und Lau schon längst niemand mehr redet. „Der Pate“ ist die Versoftung der wohl von allen relevanten Filmexperten als Kinoklassiker eingestuften Mafiatrilogie. Und schließlich GTA, die komplexe Actionreihe von Rockstar, die in Deutschland eine 16er-Alterseinstufung trägt und damit den Zorn der Spielemoralapostel auf sich geladen hat. Diese geben sich selten die Mühe, die beschuldigten Titel ausführlich selbst zu spielen, sondern halten sich bei der Begründung ihrer Ablehnung sogar an Anleitungs- und Packungstexte. Frage: Was würden Sie von einem Literaturkritiker halten, der von einem Buch, dessen Autor und Leser er „frontal“ angreift, nur den Klappentext gelesen hat? Oder von einem Filmexperten, der sich aufgrund eines RTL-Teasers eine abschließende Meinung zum Film bildet? Zum Glück gibt es immer mehr Wissenschaftler und auch Journalisten, die sich diesem oberflächlichen Spiele-Bashing verweigern. Leider produzieren ihre Erkenntnisse selten plakative Thesen, sondern vielschichtige Analysen, die in unserer Häppchen-Öffentlichkeit kaum Gehör finden.
Der Jugendschutz der USK versagt
Die unappetitlichste Passage der Lau-Ergüsse sind die wütenden Attacken gegen die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK). Hier wird klar, welchem Leitbild der Autor tatsächlich nachhängt: der Schaffung einer Mediendiktatur und staatlicher Zensur. Natürlich versucht er diese Haltung zu bemänteln, in dem er die Arbeit der USK diskreditiert: die Alterseinstufungen sind falsch, zu niedrig, zu unwirksam. Die Mitarbeiter, Tester und Gutachter wohl unfähig oder böswillig. Frage: Was wollen Sie denn Herr Lau? Jeder, der sich auch nur ein wenig mit den Maßnahmen des Jugendschutzes beschäftigt, weiß, dass es sich immer auch um subjektive Urteile handelt. Doch Lau und Co. wettern nicht gegen FSK oder FSF, ihnen ist nur die USK ein Dorn im Auge. Denn diese ist für Computerspiele zuständig und damit für eine neue Medienform, die sie nicht verstehen können und wollen. Sie reihen sich mit ihrer Hetze in eine unrühmliche Gruselahnenreihe ein: vor fünfzig Jahren war es die „Hottentottenmusik“, die die „Kulturbewahrer“ entrüstete, später die Comics und irgendwann das Privatfernsehen. Alle diese Verteufler haben eines gemeinsam: sie haben nichts aufhalten können. So wird es auch bei den USK-Bewertungen sein. Denn was ist die Alternative? Die Spiele von mehreren Testern und allen Gutachtern komplett spielen zu lassen? Bei 99% der Titel käme am Ende dasselbe Urteil zustande, wie mit dem jetzigen USK-Verfahren. Warum wird die wirkliche Forderung stets verschleiert: man will keine Computerspiele, egal ob sie eine 16er oder 18er Freigabe erhalten haben. Und selbst wenn sie indiziert werden, kommen genau dieselben Herren (es sind erstaunlicherweise immer ältere Männer) und beklagen die Tatsache, dass dies den Spielen nur Aufmerksamkeit verschafft und man im Internet sowieso alles ungeprüft herunterladen könnte. Es sollte klar geworden sein, dass die Materie äußerst vielschichtig ist und für einfache Rezepte kein Platz ist.
Erwartungsgemäß kommt von Jörg Lau kein einziger praktikabler Vorschlag, wie die Alterseinstufung vom Computerspielen besser gestaltet werden könnte. Eventuell liegt dies daran, dass Computerspiele nicht wie Filme linear begutachtet werden können? Zudem verfängt es nicht, wenn Konservative oder Politiker über die Arbeit der USK herziehen. Sie hätten in den letzten Jahren alle Möglichkeiten gehabt, der kleinen und finanziell schwach aufgestellten USK unter die Arme zu greifen. Doch es ist ja so einfach, von eigenen Fehlern und Missständen abzulenken, indem man auf den zielt, der für diverse gesellschaftliche Probleme (z. B. auf dem Arbeitsmarkt oder an unseren Schulen) nun wahrlich nicht verantwortlich ist.
PS: Herr Lau haben Sie gewusst, dass unter den „nutzlosen“ Gutachtern auch Kollegen von Ihnen sitzen, z. B. vom Deutschlandradio (in dem sie ihre Thesen propagieren durften)?
Computerspiele sind Schuld an der Dummheit der Jungen
Ein paar Worte zur „Medienverwahrlosung“ - offensiv propagiert von Professor Pfeiffer und seinem Institut – und hier ungefiltert wiedergekäut von Jörg Lau. Her Lau, sie haben in ihrem Zensurenartikel geschrieben, dass sie früher keine Leuchte in Mathematik waren. Und sicher haben Sie während Ihres Germanistikstudiums keine Statistikkurse belegt. Warum sind Sie dann der Meinung, dass man statt komplexer Faktorenanalysen mit schnell hingeknallten Kreuztabellen argumentieren kann? Es erstaunt immer wieder aufs neue, welche gewagten Thesen in den Raum gestellt werden: Ein Fernseher im Kinderzimmer führt zu schlechten Zensuren! Wer Computerspiele spielt, kann schlechter lernen! Wer Actionspiele mag, wird später als Hartz4-Empfänger enden! Wer in der DDR-Krippe ins Töpfchen pinkeln musste, wird zum Unterschichten-Prototypen! Mit empirischer Sozialforschung hat dies alles nichts zu tun, denn so können Sie alles „beweisen“. Man muss sich schon die Mühe machen, sämtliche Faktoren in die Analyse einzubinden, und dann lässt sich die (alleinige) Schuld der Computerspiele (für was auch immer) nicht aufrechterhalten. Denn für Variablen wie Schulleistung, Intelligenz, Allgemeinbildung oder sozialer Kompetenz sind andere Faktoren deutlich stärker signifikant, als das Spielen von Computerspielen. Wer das unterschlägt, betreibt Pseudowissenschaft.
Computerspieler sind potentiell gewalttätig
Auch diese These unterschlägt die wahren Tatsachen. Denn die 99 Prozent aller Spieler, die vollkommen unauffällig durchs Leben schreiten, blenden die Panikmacher aus. Es wäre ja auch zu schön, wenn der „Lau-Gott“ mit einer allwissenden Geste sämtliche Spiele von der Erde wegbeamen würde. Was würde dann passieren? Kehren die unwilligen Jungen in die Pfadfinderlager (oder in der Ostvariante in die Pionier- und FDJ-Nachmittage) zurück und lernen strebsam und sauber gescheitelt? Geben Sie es doch zu! Das ist die Jugend, die Ihnen vorschwebt und der sie nachtrauern. Unglücklicherweise hat sich die Welt weitergedreht: wir haben nicht mehr nur drei TV-Sender, die erst um 16 Uhr mit ihrem Programm beginnen - stattdessen haben wir Handys, Internet, iPods. Ich halte jede Wette, dass ihre „verführten Jungs“ ohne Spiele stattdessen auf der Straße abhängen und ab und zu vorbeikommende Professoren und über den Dingen stehende Redakteure abziehen.
Dieser Skandal muss ein Ende haben
Da stimme ich Ihnen von ganzem Herzen zu! Allerdings sehe ich keinen Skandal in einigen diskussionswürdigen USK-Einstufungen. Ich halte es stattdessen für einen Skandal, dass unsere gebührenfinanzierten ARD & ZDF komplett auf Jugendprogramme und (durch die Grundversorgung verpflichtende) Bildungssendungen verzichten, dafür am Nachmittag auf seichte Telenovelas setzen oder Millionen für „Sportübertragungen“ ausgeben, in der sich Boxer die Kiefer brechen. Ich halte es für einen Skandal, dass im Jugendbereich stetig die Mittel gekürzt werden, mit denen man allen Jugendlichen eine motivierende Freizeitgestaltung ermöglichen könnte. Ich halte es für einen Skandal, dass sich die großen Printmedien (z. B. Spiegel oder Die Zeit) nicht ihrer Verantwortung stellen, und regelmäßig empfehlenswerte Computerspiele vorstellen, um verunsicherten Eltern einen Wegweiser an die Hand zu geben. Und ich halte es für eine Skandal, wenn Politiker scheinheilig das Verbot von „Killerspielen“ fordern, gleichzeitig aber nichts dagegen unternehmen, wenn in ihrem Verantwortungsbereich Neonazis „national befreite Zonen“ ausrufen oder Tausende Jugendliche ohne Aussicht auf einen Ausbildungsplatz frustriert zu Hause sitzen.
Selbstkritik
Sie werden es nicht glauben, Herr Lau, aber es gibt diverse Probleme, mit denen sich die Protagonisten der„Spielebranche“ kritisch auseinandersetzen müssen. Wenn Sie nicht nur per Tunnelblick die Szene beobachten würden, wäre Ihnen aufgefallen, dass dies sehr wohl bereits geschieht (z. B. im PCX-Forum). Die notwendige Reflexion tangiert nicht nur Programmierer (Muss alles technisch Mögliche auch programmiert werden?) oder Publisher (Muss ich jeden Schund auf den Markt werfen?) - auch die Spielejournaille hat einige Leichen im Keller: Müssen Jugendmedien (wie die „Bravo Screenfun“) 18er-Spiele groß vorstellen und sich mit einem „Viel Gewalt“ neben einem Minus-Smiley aus der Verantwortung stehlen? Warum hat die größte deutsche Spielezeitschrift ihren Grundsatz über Bord geworfen, keine 18er-Spiele im Heft zu besprechen? Wo gelangen wir an eine Grenze der Gewaltdarstellung, die wir nicht