Zum Funktionsprinzip von UD Cancer... (Teil 1 von 3)
Das ist so einer der wenigen Momente, wo mir mein Biochemie-Studium mal wieder was bringt *g*
Ja, die eigentliche Forschung findet immer noch im Labor und auf dem Reißbrett statt. UD Cancer nutzt lediglich die brachiale Rechenpower tausender Rechner für eine Art "Brute-Force-Attacke" auf ein im Grunde genommen geometrisches Problem. Das Ergebnis ist dann eine Art Vorselektion, die für weitere Labortests genutzt wird.
Im Detail: Jeder biochemische Prozess, also Stoffwechselvorgänge wie die Verdauung, energieverbrauchende Prozesse wie Muskelkontraktionen, aber eben auch pathologische Prozesse wie eine Viruserkrankung oder eine krankhafte Entartung eines Gewebes, wie es bei allen Krebsarten der Fall ist, funktioniert in Form von Reaktionsmechanismen, bei denen immer bestimmte Substrate (Ausgangsstoffe) durch biologische Katalysatoren, sogenannte Enzyme, zur Reaktion gebracht werden. Diese Katalysatoren liegen definitionsgemäß nach Ablauf einer solchen Reaktion wieder unverändert vor. Häufig gibt es dabei einen Zwei- oder Mehrschritt-Mechanismus nach dem Muster A+E->AE, AE+B->AB+E, wobei A und B die Substrate sind, AE ein Substrat-Enzymkomplex - also ein Zwischenprodukt -, AB das Endprodukt und E das Enzym bzw. der Katalysator.
Wenn man nun die Entstehung von AB verhindern möchte - wie könnte man da vorgehen? Entweder man ändert die Reaktionsbedingungen (kühlt ein System unter die notwendige Reaktionstemperatur ab - bei Menschen nicht unbedingt empfehlenswert...), oder man entfernt mindestens eines der Edukte A oder B oder aber den Katalysator E aus dem System. Die Edukte zu entfernen ist meist nicht ganz so einfach - sie liegen ja normalerweise in Mengen vor, da sie auch verbraucht werden. Der Katalysator bietet sich jedoch als Angriffspunkt sehr gut an: Da er nach der Reaktion immer unverändert vorliegt und sofort für die nächste Umsetzung "recycled" werden kann, reicht im System immer eine sehr geringe Menge Katalysator aus - und die nimmt man sich nun vor.
Dazu sollte man noch folgendes wissen: Beinahe alle Katalysatoren sind sehr, sehr eigen, was die Reaktionen angeht, die sie katalysieren. Das liegt daran, dass diese nach einem "Schlüssel-Schloss-Prinzip" arbeiten, d.h. das Edukt, der Ausgangsstoff, ist der Schlüssel und der Katalysator ist das Schloss. Nur wenn Edukt und Katalysator zusammenpassen, kommt es zu dem beschriebenen Edukt-Katalysator-Komplex AE, der dann mit dem nächsten Edukt B zum Endprodukt AB weiter reagiert, wodurch der Katalysator regeneriert wird. Wenn das Substrat A also nicht ins Schloss E passt, dann passiert entweder gar nichts - weil es nicht zum ersten Reaktionsschritt kommt. Oder - und das ist der Trick: Es entsteht ein Komplex aus Substrat und Katalysator, der nicht mehr weiter reagiert. Man kann sich das in etwa so vorstellen, wie wenn man einen nicht ganz passenden Schlüssel in ein Schloss steckt: Der Schlüssel geht rein, aber er lässt sich nicht drehen und die Tür geht nicht auf.
Diesen "falschen Schlüssel", der den Katalysator blockiert, nennt man Inhibitor.
Bei Enzymen ist die Sache noch etwas komplizierter als bei einfachen anorganischen Katalysatoren. Die meisten Enzyme bestehen aus einem wirklich großen Molekül, einem Eiweiß (Protein) mit einem oder mehreren Metall-Ionen. Diese Eiweiße sind lange Perlenketten aus Aminosäuren, welche an verschiedenen Stellen auch noch durch Schwefelbrücken, Wasserstoffbrücken, Ionenbindungen oder andere Kräfte querverknüpft und schließlich noch gefaltet sind. Man kann sich so ein Enzym vom Erscheinungsbild ähnlich vorstellen wie ein Knäuel aus Geschenkband - nur, dass das Aminosäurenknäuel nur in einer ganz bestimmten Form vorliegt: Durch die festgelegte Folge der Aminosäuren und die Position der Metall-Ionen ergibt sich bei jedem Enzym immer dieselbe Form; wenn man also das Wollknäuel gewaltsam aufwickeln würde und dann losließe, so würde es wieder in genau dieselbe Form zurückschnappen.