AW: [Kino] Shoot Em´ Up
Bugs Bunny auf einem schlechten Speedtrip
Ein Mann sitzt auf einer Bank, isst genüsslich eine Karotte und hängt seinen (wie auch immer gearteten Gedanken nach). Unvermittelt erscheint eine schreiende Frau, die bei näherer Betrachtung ein Baby (wichtig!) in Händen hält, auf der Bildfläche und stürmt an ihm vorüber. Herzhaft zubeißend beobachtet er sie dabei, wie sie in ein Lagerhaus stolpert und dabei einen Schweif übelster Schurken (leicht zu erkennen an ihrer Kleidung, Frisur und Wortwahl) nach sich zieht. Der Mann lässt seine Möhre Karotte sein, setzt den obligatorischen „einer muss es ja tun“ - Blick auf, schwingt einen Monolog und folgt der Flüchtenden ins Gebäudeinnere. Innerhalb von 2 Sekunden kann er Aufmerksamkeit und Feuer auf sich ziehen, alle 125 Gegner umpusten, die Mutter loswerden und das Baby retten, ohne seine Lust auf Betakarotine auch nur im mindesten zu verlieren. Doch wer hätte das gedacht? Jetzt geht’s erst richtig los.
Was dem ersten Anschein nach, wie eine skurrile Actionkomödie mit Kultpotential und deftigen Anleihen bei Jason Stathams Toure de Force „Crank“ klingt, ist bei näherer Betrachtung eine digital aufpolierte, emotions- und gefühllos dargebotene, kalte und in ihrer Innovationsarmut geradezu herzerfrischend trashige Posse, die sich normalerweise in Verbindung mit unerträglich unpassendem und überzogenem Overacting und miesesten Retorteneffekten ihre Existenzberechtigung im unteren Bereich eines Videothekengrabeltisches erst hart erkämpfen müsste. Dank Clive Owen und Monica Bellucci bleibt „Shoot `em up“ dieses Schicksal jedoch erspart.
Die Kinoauswertung von diesem Meilenstein ist somit für all jene Personen ein Tritt in niedere Sphären, die einen besseren Film, eine bessere Idee oder ein besseres Drehbuch auf Lager haben, aber, da sie nicht Owen als Möhrenkiller und Bellucci als Dauercleavagelieferantin anbieten können, ihre Werke in Provinzkinos und Indiedvdstores vor sich hin vegetieren lassen müssen.
Regisseur Michael Davis, dessen over the top Horrorsplatterfilm „Monster Man“, aus dem Jahre 2003, zu meinen Lieblingspartyfilmen zählt, liefert eine digitale Killerpersiflage ab (ob gewollt oder ungewollt, sei dahin gestellt), die in ziemlich jedem Bereich übers Ziel hinaus schießt.
· Zu viele Opfer: Nach dem 60sten doofen Killer habe ich mich vor Langeweile fast aus dem Sessel gedreht.
· Zu viele überzogene Sprüche: Ironie, Sarkasmus, schwarzer Humor; ist alles schön und gut. Was hier aber geboten wird, ist infantiles Phrasendreschen ohne Sinn für Timing.
· Zu lang: Sogar die knapp bemessenen 86 Minuten Laufzeit waren, für das Nichts an Story, schon viel zu viel des Schlechten.
Inhaltsmäßig setzt sich die Geschichte unvorhersehbar kreativ fort:
Mr. Smith alias Clive Owen will das Baby einer Hure unterschieben, sieht sich aber, ob der Bedrohung durch viele böse, schwer bewaffnete und offensichtlich zurückgebliebene Killer, dazu genötigt auch diese zu beschützen. Er verliebt sich völlig unerwartet in die Prostituierte und muss (gezwungenermaßen) alle Gegner, die von einem erschreckend schlechten Paul Giamatti („Sideways“, „Paycheck“) angeführt werden, erledigen.
Einen IQ-Höhepunkt erreicht der Film schließlich mit jener Szene, in der rund 10 Fallschirmspringer, wenn man die digitalen Dummies so nennen möchte, im Flug erschossen werden und nach der Landung des Helden links und rechts neben ihm aufschlagen und zerplatzen. Mal abgesehen davon, dass die Umsetzung zum Kotzen ist, erschließt sich mir der Sinn dieser Einstellung nicht wirklich. Da wird sogar in „Eraser“ eleganter, realistischer und passender aus einem Jumbo ausgestiegen.
Da wir gerade von Effekten sprechen. Ein offensichtlich digitales Baby (als zweite Hauptperson) wird unter anderem durch die Luft geworfen, von einem Ringelspiel gefeuert und aus einem Auto geschleudert, um danach ohne einen Kratzer davongetragen zu haben wieder vom Helden aufgelesen zu werden. Die digitalen Rehe aus „Antikörper“ scharren schon nervös mit ihren Hufen, um ihren Platz am Podest, als inhomogenste und am miesesten animierte Wesen die jemals in einem Kinofilm gezeigt wurden, verlassen zu können.
So etwas ist nicht auszuhalten. Clive Owen einen mehrstelligen Millionenbetrag bezahlen und es gleichzeitig fertig bringen, Effekte so realistisch zu gestalten, dass sich sogar meine kleine Schwester, im Sessel neben mir, an den Kopf gefasst und sich eine Folge CSI herbeigewünscht hat.
Clive Owen, als gutherziger, aber abgebrühter Killer, der eine Vorliebe für Karotten, Schießeisen und obercoole Sprüche ohne Sinn hat und mal eben ein Baby und eine Hure beschützt, vermittelt so viel Glaubwürdigkeit wie George Double You, wenn er gerade wieder was von Atomwaffen und Terrorismus schwafelt. Auch wenn wirkliche Glaubwürdigkeit keine Grundvoraussetzung für einen Actionfilm ist, sollte man dem Hauptcharakter, als Zuschauer, wenigstens soviel Verständnis und Sympathie entgegenbringen können, dass man nicht schon nach 15 Minuten mit dem Gedanken spielt das Kino schreiend zu verlassen und der Klospülung bei ihrer Tätigkeit zuzusehen.
Eine dermaßen emotionsarme Leistung sieht man selten.
Der öde Running gag mit der idiotisch frischen Karotte des Helden nervt bereits nach der ersten Einstellung und wird von Michael Davis so überstrapaziert, dass ich beschlossen habe meinen Karottenkonsum komplett einzustellen. Zu allem Überfluss musste Davis auch noch einen zweiten unpassenden Laufenden Scherz einbaue. Alle 10 Filmminuten meldet sich die Frau des Killerchefs, die nichts von seinem Beruf weiß, und liegt ihm mit Banalitäten in den Ohren. Auf die Pointe dieses Scherzes warte ich noch immer.
Viel Gutes kann und will ich dem Film beim besten Willen nicht abgewinnen.
Zugegeben. Zu Beginn des Streifens habe ich mich noch über die vielen Toten und die dämlich witzigen, übertriebenen und skurrilen Szenen amüsiert. Doch spätestens beim 20sten unrealistischen Headshot mit digitaler Unterstützung hat sich das erübrigt.
Monica Bellucci ist wie immer eine Augenweide, kann aber auch mit ihrer üppigen Oberweite nicht gegen ihre idiotische Rolle anspielen.
Fazit:
Während der ersten Minuten von Michael Davis' Film hatte ich noch die Hoffnung mir ein Remake von bzw. eine Hommage an „Crank“ den Chaos no brainer mit Jason Statham anzusehen. Aber was bei „Crank“ schnell, ironisch und extrem brutal in die Gedärme fährt und die fehlende Story vergessen lässt, löst bei „Shoot `em up“ nur ein müdes Gähnen aus. Der Funke springt nicht über und somit kann ein ähnlicher Flächenbrand wie bei „Crank“ auch nicht ausbrechen. Mal abgesehen davon das Clive Owen nicht einmal annähernd so eine harte und coole Sau wie Jason Statham ist wirkt Paul Giamatti in seiner absolut fehlbesetzten Rolle als Superkiller eher wie ein geistig zurückgebliebener Pausenclown, als wie ein harter Auftragsmörder.
Ein paar annähernd amüsante Szenen, einige gute Kills und das Dekollete von Monica Bellucci bewahren den Film vor einem Desaster epischen Ausmaßes.
Nachsatz:
Gewisse Ähnlichkeiten zu einer bestimmten Szene in John Woos „Hard Boiled“ haben sich mir den ganzen Film über geradezu aufgedrängt. Nach kurzem herumgoogeln, nach dem Genuss des Streifens, bin ich auf die interessante Aussage gestoßen, dass hier jemand versucht hat das Poster von „Hard Boiled“ zu verfilmen.
Wie überaus passend.
Viel mehr als eine (miese) Verfilmung dieses Filmposters ist „Shoot `em up“ wirklich nicht.