Mark Rein zeigt Unreal Engine 3 auf Nvidias GeForce-6800-Ultra-Einführung
Im Rahmen der offiziellen europäischen GeForce-6800-Vorstellung im schweizerischen Genf kündigte Nvidia einige Spiele an, welche Shader-3.0-Effekte unterstützen sollen. Zudem demonstrierte der aufgedrehte Mark Rein, Vice President von Epic Games, die schon auf der GDC vorgestellte, aber noch in Entwicklung befindliche Unreal Engine 3.0 - und irritierte Nvidia, indem er bei einer Frage zum neuen Kantenglättungsmodus der GeForce-6800-Chips dazwischenrief: "Kantenglättung ist von gestern!"
Nach der offiziellen Präsentation erklärte der redegewandte Rein dies gegenüber Golem.de genauer: "Kantenglättung ist toll für alte Spiele, bringt aber für aktuelle und künftige Spiele mit aufwändigeren Engines zu große Leistungseinbußen. Ich kann es nicht ertragen, wenn unsere Engine durch Kantenglättung auf 6 Bilder pro Sekunde einbricht." Ohne Kantenglättung war die in Echtzeit gezeigte, beachtlich detailreich und plastisch wirkende Endzeit-Stadt-Szene mit teils zerstörten Häusern sowie Geröllbergen allerdings auch ruckelig und lief bei etwa 15 Bildern/s. Noch ist die Unreal Engine 3.0 allerdings nicht marktreif - erst ab Mitte 2006 sollen laut Rein entsprechende Spiele erscheinen. Bis dahin sollen Engine und Nvidias GeForce-Treiber so weit optimiert sein, dass auf der GeForce 6800 Ultra 30 Bilder/s möglich werden. "Vielleicht auch mehr, man weiß nie", so Rein. Natürlich können beim Herunterschalten der Detailstufe auch höhere Bildraten erreicht werden; Lizenznehmer könnten die Unreal-Engine auch generell so anpassen, dass sie auf langsamer Hardware läuft.
Bei den zur Demonstration der kommenden Unreal-Engine genutzten Szenen und Objekte kann Epic Games dank Shader 3.0 tricksen: Statt echtem Displacement Mapping, bei dem aus Texturdaten zusätzliche Polygone für Oberflächendetails generiert und von der Hardware bewältigt werden müssen, wird Virtual Displacement Mapping eingesetzt. Dabei werden 2D-Texturen in Echtzeit so verändert, dass sie den Eindruck erwecken, räumliche Tiefe aufzuweisen. Diese Simulation soll Rein zufolge aus jedem Winkel funktionieren. In einer ersten Demo gab es wirklich nur wenige Fälle, in denen man bei Bewegung erahnen konnte, dass kein echtes Displacement Mapping zum Einsatz kam.
Rein zufolge wies die oben bereits erwähnte gezeigte Stadt-Szene nur eine Million Polygone auf, soll jedoch dank Virtual Displacement Mapping den Eindruck von 250 Millionen Polygonen erwecken. Eine der drei gezeigten Kreaturen - ein riesiges zweibeiniges Monster mit Kanone auf dem Rücken - wusste ebenfalls durch Detailreichtum zu beeindrucken. Hier kämen etwa 8800 oder 9000 Polygone zum Einsatz, doch das Resultat sähe mehr nach 9 Millionen Polygonen aus. Ledergürtel, Haut, Muskeln und Ähnliches traten auch wirklich hervor; platte Texturen waren nicht zu sehen. Rein: "Natürlich wäre echtes Displacement Mapping besser, aber die resultierende Polygon-Menge wäre noch zu groß".
Den Eindruck, dass die Kreaturen mitunter an sehr detaillierte Plastikfiguren erinnerten, schob Rein auf die von Nvidia aufgebauten Projektoren: "Auf dem Monitor sieht das ganz anders aus, da sieht man die Details deutlich besser. Schau dir mal Far Cry an, das sieht nach Plastik aus.". An der darin genutzten, mit der Unreal Engine konkurrierenden Crytek-Engine hatte Rein ebenfalls Kritik auszusetzen, deren Licht- und Schattenberechnung sei eine Katastrophe und die Far-Cry-Innenszenen - etwa auf dem Flugzeugträger - würden schlimm aussehen. Dafür seien die Wassereffekte fantastisch.
Auch zu Half Life 2 hatte Rein einiges zu sagen - das Spiel werde sicherlich gut werden, doch hätte Gabe Newell von Valve mit seiner abfälligen Äußerung über die niedrige Shader-Leistung von GeForceFX-Grafikkarten auch einen Teil der Spielegemeinschaft angegriffen und Valve mit seinen nicht eingehaltenen Veröffentlichungsversprechen auch diejenigen geschädigt, die ihre ATI-Grafikkarte nur wegen des immer noch nicht erschienenen 3D-Shooters erworben hätten.
Im Rahmen der eigenen Partnerschaft mit Nvidia würde man selbst zwar auch die eigene Engine auf Veranstaltungen nicht auf ATI-Hardware zeigen, dafür aber ATI auch nicht derartig angreifen - Entwickler könnten es sich nicht leisten, Kunden mit weniger leistungsfähiger Hardware auszuschließen. Deshalb seien Marketing-Vereinbarungen zwischen Grafikchip-Herstellern und Entwicklern auch nicht als Weg zu sehen, mit denen bestimmte Kunden ausgeschlossen werden sollen; stattdessen werde einfach nur mit bestimmten Partnern enger zusammen gearbeitet.
Eigene Kritik an Grafikchips konnte sich Rein aber doch nicht verkneifen und zog auf der Bühne über Intels "mistige" Xtreme Graphics Onboard-Grafikchips her, auf die bei der Entwicklung ebenfalls Rücksicht genommen werden müsse. Zurück zu Half Life 2: Die Bewerbung von ATI-Hardware mit Half Life 2 sei ein Beispiel für eine missglückte Marketing-Partnerschaft - das Geld für die Radeon-Grafikkarten der 9800er-Serie hätten Kunden sparen und nun in die GeForce 6800 Ultra stecken können; immerhin sei die Shader-Leistung der neuen Hardware im Gegensatz zur GeForceFX 5950 um das Fünffache angestiegen.
Rein - ganz der Marketing-Mensch - zeigte sich voll überzeugt davon, dass Nvidias teures neues Flaggschiff nicht erst in Zukunft interessant sei, sondern auch mit aktuellen Spielen viel bringe: "In Far Cry gibt es dann 50 statt bei der bisher schnellsten Karte nur 20 Bilder pro Sekunde - ohne Kantenglättung". Die Kantenglättung lasse man aber trotzdem besser deaktiviert oder wechsele zu einer höheren Auflösung: "1.600 x 1.200 Bildpunkte bringt nun mal mehr Details als eine niedrigere Auflösung mit Kantenglättung". Dieser Ratschlag ist allerdings nur für diejenigen interessant, die keine auf 1.024 x 768 oder 1.280 x 1.024 Bildpunkte begrenzten LCDs oder Monitore besitzen.
"Kantenglättung ist klasse, aber nur für ältere Spiele. In den nächsten 5 Jahren wird sich das wohl auch nicht ändern", meint Rein, dessen Meinung allerdings nicht alle teilen, denn mittlerweile lassen sich per Shader auch Teile von Szenen kantenglätten und damit Rechenleistung sparen. Da diese jedoch für andere rechenintensive Shader-Effekte dringend gebraucht wird, hält Rein auch davon nicht viel. "Ich verstehe auch nicht, warum Redakteure überhaupt mit Kantenglättung testen, das bringt doch überhaupt nichts. Spieler schalten sie sowieso ab", behauptet Rein in Bezug auf neue Spiele. Diese allgemeine Aussage werden aber nicht alle teilen.
In Genf nannte Nvidia bereits eine Liste von noch nicht erhältlichen, aber noch für 2004 erwarteten Spielen, die zumindest teilweise mit Shader-3.0-Unterstützung kommen werden, eigentlich aber noch Shader-2.0-Software sind. Darunter Driver, Grafan, Lord of the Rings - Battle for Middle Earth, Madden 2005, Painkiller, Stalker, Tiger Woods 2005, dem Half-Life-2-basierten Vampire: Bloodlines und das nächste noch nicht benannte Spiel in der Splinter-Cell-Reihe. Auch das bereits erhältliche Far Cry soll bald aufgemotzt werden: Dank Shader 3.0 kann Virtual Displacement Mapping genutzt werden, so dass die Grafik deutlich plastischer wirkt. Von Nvidia gezeigte "Vorher/Nachher"-Beispiel-Screenshots enthielten eine Innenszene mit Treppe und Steinwänden, die mit Shader-3.0-Effekt besser aussah.