Dann war die Kanzlei aber offensichtlich nicht so schlau... wenn man sich jetzt außergerichtlich geeinigt hat, ist das m.E.n. zumindest mal ein starkes Indiz darauf, dass sich CIG bzw. deren Rechtsabteilung möglicherweise doch nicht so sicher waren. Andernfalls hätte man es ja auf einen Prozess ankommen lassen können.
Ich will zwar nicht aussschließen, dass das ggf. eine Geste von CIG war, im Sinne von "Wir lösen das jetzt außergerichtlich, damit ihr euer Gesicht wahren könnt", aber das halte ich irgendwie für unwahrscheinlich.
Unwahrscheinlich ist, dass ein solches Verfahren überhaupt in einem Gerichtssaal landet. Nur zwei Prozent aller Zivilklagen enden mit einem Gerichtsurteil. Der Vergleich ist der übliche Ausgang solcher Verfahren. Im Grunde laufen zwei Verhandlungen ab: Einmal der Austausch von Argumenten und Beweisen unter der Aufsicht des Gerichts, und Verhandlungen über eine außergerichtliche Einigung, die sich an der Qualität der Argumente und der Beweise, aber auch an den zu erwartenden Kosten orientieren.
Ein Vergleich bedeutet nicht, dass die angeklagte Partei die große Nervenflatter gekriegt hat und einen Batzen Kohle zahlt, um den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Ein Vergleich ist der Ausgang, auf den alle Parteien hinarbeiten, und die Gerichte sehen es nicht gerne, wenn sich die Parteien diesen Verhandlungen entziehen. Ein Verfahren vor einem Richter, wie er in diesem Fall für Sommer angesetzt war, ist nur der letzte Ausweg, wenn die Parteien wirklich gar nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommen.
Warum CIG dem Vergleich zugestimmt hat, ist schnell erklärt. Das Verfahren könnte trotz der günstigens Ausgangslage für CIG jetzt noch gut und gerne zwei Jahre dauern und nochmal über eine Million Dollar verschlingen, die sie auch bei einem schlussendlichen Sieg nicht zwingend wiedersehen würden. Falls Crytek angeboten haben sollte, das Ganze jetzt zu beenden, wenn sie dafür ihre Kaution wieder einsacken dürfen, dann ist das der deutlich bessere Deal. Über die Implikationen des Verfahrens und des letztendlichen Ausganges redet in einer Woche niemand mehr.
Weiterhin sehen es Gerichte wie gesagt nicht gerne, wenn die Parteien nicht auf eine gütliche Einigung hinarbeiten. Wenn CIG auf ein Verfahren gedrängt hätte, nur um es Crytek und der Welt zu zeigen, dann hätten sie irgendwann möglicherweise den guten Willen des Gerichts verspielt.
Die große Preisfrage ist nun, wer das große Tauziehen im Vergleich gewonnen hat. CIG hat sämtliche Kernpunkte der Klageschrift entkräftet, zuletzt auch den Verdacht, dass sie zwischen Februar 2016 und Dezember 2016 eine Urheberrechtsverletzung begannen haben könnten. Was dann noch übrig geblieben ist, war Firlefanz. Und zuletzt hat Crytek eben darum gebeten, die eigene Klage abweisen zu lassen, obwohl sie auch schlicht um eine Pause hätten bitten können, wenn es ihnen wirklich darum gegangen sein sollte, den Release von Squadron 42 abzuwarten.
Ich lehne mich mal aus dem Fenster und behaupte, dass CIG das Tauziehen gewonnen hat. Was in der Einigung drin steht, werden wir wahrscheinlich nie erfahren, aber ganz sicher werden wir nie wieder etwas von dieser Klage hören, und Crytek geht vermutlich mit der Kaution in der Tasche nach Hause.