Zur Qualifikation als Sucht fehlt noch ein wichtiges Kriterium, dass nämlich das Verhalten für denjenigen schädlich ist. Ansonsten kann man natürlich jede intensive Beschäftigung mit etwas pauschal als "Sucht" bezeichnen und damit als "krankhaft" erklären.
Klassische Drogen schädigen einen gesundheitlich, Glücksspielsüchtige ihren Geldbeutel bis hin zum Bankrott. Wie schädigt sich ein Online-Zocker?
Wenn man eine Sucht derart beliebig definiert, dann kann man nach der gleichen Logik auch Sportsucht, Lesesucht, Musiziersucht oder Arbeitssucht finden und aus sich heraus zum Problem erklären. Jemand, der gerne und viel Auto fährt, wird ein Autofahrsüchtiger. Nicht zu vergessen der leidenschaftliche Briefmarkensammler ist nun auch ein Kranker, ein Briefmarkensammelsüchtiger, natürlich dringends behandlungsbedürftig. Wir Deutschen, eine Gesellschaft von kranken Süchtigen.
Ich glaube eher, dass ein paar Leute ein Verhalten, das ihnen nicht passt oder das sie nicht verstehen (oder auch im Zuge einer Projektion von eigenem, als Schwäche wahrgenommenen Verhalten auf andere), pauschal zu pathologisieren. Was Sucht ist, und was nicht, ist dann ein gesellschaftlicher Spielball. Verbreitetes, sozial akzeptiertes Verhalten ist gut, alles andere sind Süchte, die es zu bekämpfen gilt. Auf die offensichtliche Bigotterie, die sich daraus ergibt (Stichwort Alkohol), muss man nicht weiter eingehen.
Wir leben zum Glück in einer freiheitlichen Gesellschaft, in der jeder innerhalb der geltenden Gesetze das Recht hat, seine Freizeit so zu verbringen, wie er will. Niemand muss viel zocken und niemand muss es mögen, dass es andere gibt, die gerne viel zocken. Wenn aber jemand gerne und viel zockt, dann macht ihn das nicht zu einem Kranken.